Jesaja 2, 5-10
Liebe Gemeinde,
Ein Blick zum Ende der Welt – in vielen christlichen Kreisen wird von Furchtbarem und Fürchterlichem erzählt. Oft wird das Buch der Offenbarung dazu herangezogen und missbräuchlich genutzt.
Ein Blick zum Ende der Welt – so weit, wie nun mal kein Mensch schauen kann – diesen Blick gebrauchen mit Autorität ausgestattete religiöse Männer immer wieder, um Angst zu schüren.
Der Blick auf´s Ende – mit Angst besetzt, sowohl im Blick auf das Ende der Welt, als auch im Blick auf das Ende des eigenen Lebens.
Heute lesen wir im Buch Jesaja. Er schreibt von einem ganz anderen Blick auf das Ende der Welt:
Ich lese den Predigttext
1 Dies ist das Wort, das Jesaja, der Sohn des Amoz, schaute über Juda und Jerusalem.
2 Es wird zur letzten Zeit der Berg, da des Herrn Haus ist, feststehen, höher als alle Berge und über alle Hügel erhaben, und alle Heiden werden herzulaufen,
3 und viele Völker werden hingehen und sagen: Kommt, lasst uns hinaufgehen zum Berg des Herrn, zum Hause des Gottes Jakobs, dass er uns lehre seine Wege und wir wandeln auf seinen Steigen! Denn von Zion wird Weisung ausgehen und des Herrn Wort von Jerusalem.
4 Und er wird richten unter den Nationen und zurechtweisen viele Völker. Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen machen und ihre Spieße zu Winzermessern. Denn es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen.
5 Kommt nun, ihr vom Hause Jakob, lasst uns wandeln im Licht des Herrn!
In diesem Abschnitt ist das Bild, das vom Ende, von der letzten Zeit ensteht ein freundliches, ein friedliches, ein helles Bild. Und ebenso bemerkenswert für mache Christen, die einen großen Graben zwischen dem Alten und Neuen Testament behaupten:
1.das Neue und Alte Testament sind sich heute in unseren gottesdienstlichen Lesungen sehr einig: Im Wochenspruch, der aus dem Epheserbrief kommt, werden Menschen aufgerufen: „Lebt als Kinder des Lichts!“
Und Jesaja im heutigen Predigttext ermuntert seine jüdischen Mitbürger: „Kommt, nun lasst uns wandeln im Licht des Herrn!“
Nicht nur die beiden Formulierungen sind erstaunlich ähnlich. Auch die Begründung lautet erstaunlich ähnlich: Gott ist Licht. Gott scheint durch in der dunklen Welt. Gott erhellt den Alltag und wer in diesem Licht lebt, kann dann auch im Licht wandelt.
Eine Zwischenbemerkung: In jedem Gottesdienst steht am Ende der Segen: Ihr werdet gesegnet mit den Worten: „Gott lasse sein Angesicht über dir leuchten“
Damit sind gesegnete Menschen, Menschen, die sich des Lichtes bewusst sind, das sie erleuchtet. Das sind nicht nur Mond und Sterne in der Nacht und die Sonne am Tag. Nein, es ist Gott selbst – der ihnen die Kraft gibt, zu wachsen und sich zu entfalten.
Gerhard Tersteegen hat diesen Gedanken in Strophe 6 des bekannten Liedes: Gott ist gegenwärtig, aufgenommen:
„Du (Gott) durchdringest alles;
lass dein schönstes Lichte,
Herr, berühren mein Gesichte.
Wie die zarten Blumen
willig sich entfalten
und der Sonne stille halten,
lass mich so
still und froh
deine Strahlen fassen
und dich wirken lassen.“
Beide, Neues und Altes Testament erzählen in vielfacher Weise: Gottes Licht wirkt. Gottes Licht verändert den Blick auf das eigene Leben und auf die ganze Welt. In Gottes Licht sehen Menschen Licht. Gottes Licht hilft ihnen, ihren Weg zu finden. Gottes Licht leuchtet und richtet die Füße einzelner Menschen und ganzer Völker auf den Weg zum Frieden. Wandelt als Kinder des Lichts! Macht das Leben von Menschen hell. Schenkt ihnen die Hoffnung, die ihr durch Gott erfahren habt.
So weit so gut – doch dazu stehen in krassem Gegensatz andere Bilder, die wir eben auch sehen. Unser Leben ist ja nicht so, dass wir tagaus tagein betend und singend, in Gottes Sonne sitzen und Loblieder anstimmen.
In krassem Gegensatz zu dem Licht Gottes schauen wir auf andere Bilder. Finstere Bilder von Tod und Zerstörung: Krieg. Krieg. Und nochmals Krieg.
Ein krasser Gegensatz: Hier in der Kirche am Ende des Gottesdienstes gesegnet zu werden und beseelt von Gottes Gegenwart zu sein oder konfrontiert mit den Schattenseiten dieser Welt zu sein.
Da fällt es manchem Menschen schwer, Gott zu erkennen. Da scheint es so, als hätte sich das himmlisches Licht hinter großen dunklen Wolken verborgen und höllische Qualen sind die Konsequenz.
Jede Predigt versucht im Grunde diesen krassen Gegensatz zu überwinden. In unserem Gottesdiensten nehmen wir die Welt hinein in die Gegenwart Gottes und wünschen uns, dass sie hier verändert wird.
Dazu lesen wir in der Bibel, damit wir nicht im Widerspruch in die Irre laufen, sondern weiter dem Licht Gottes folgen.
Schauen wir uns den heutigen Abschnitt, mit einem sehr prominenten Bild genauer an:
2Es wird zur letzten Zeit der Berg, da des Herrn Haus ist, feststehen, höher als alle Berge und über alle Hügel erhaben,
Die letzte Zeit ist in diesem Abschnitt eine Zeit, in der erreicht ist, was in der gegenwärtigen Zeit unvorstellbar ist.
Es ist tragisch, festzustellen, dass für die Zeitgenossen Jesajas genauso wie für uns heute diese Vorstellung nahezu fantastisch und weltfremd ist.
Jerusalem höher als alle Berge, nicht im geografischen Sinn, sondern als Leuchtturm des Friedens für die Welt.
Damals wie heute sind sehr viele Menschen in der großen Versuchung, dieses Bild als naiv zu bezeichnen, als weltfremd, als abstrakte Kunst, als Träumerei.
Das kann man niemandem vorwerfen: Resignation. Hoffnungslosigkeit. Die wachsende Überzeugung, dass Frieden auf dieser Erde nicht eintritt.
Gleichzeitig – inmitten der Resignation, inmitten der Kriegslogik, in der kein Frieden vorgesehen ist, erzählt die Bibel weiter von diesen hoffnungsvollen Künstlern, die vermögen Bilder zu schaffen, die die Seele aufatmen lassen. Und diese Künstler, Propheten genannt empfangen ihre Farben und Ideen in der Gegenwart Gottes.
Das ist eine Kunst. Das ist eine Lebenskunst und eine Glaubenskunst: Während Menschen in Kriegsgräben aufeinander schießen, während Bomben Städte zerstören, Menschen töten, Familien in die Flucht schlagen, in solchen Zeiten, von solchen finsteren Bildern nicht ganz und gar eingenommen zu werden, sondern weiter auf ein Licht zu achten und es zu suchen: das ist eine Haltung, die im Lichte Gottes wachsen kann.
Jesaja kann sich weiter vorstellen und diese Vorstellung ist ein Gottesgeschenk:
3und viele Völker werden hingehen und sagen: Kommt, lasst uns hinaufgehen zum Berg des Herrn, zum Hause des Gottes Jakobs, dass er uns lehre seine Wege und wir wandeln auf seinen Steigen!
Jesaja sieht eine Bewegung: Im heutigen Deutsch gesprochen: eine Bildungsbewegung. Er sieht, dass Menschen sich auf einen Weg machen, um etwas zu lernen, was sie bisher nicht gelernt haben: Das Lernziel, die Kompetenz, die erworben werden soll: friedlich zusammen zu leben.
Menschen sollen lernen, umzudenken: keine Schwerter mehr herstellen, sondern Pflugscharen. Keine Spieße mehr, sondern Winzermesser. So steht es da:
Denn von Zion wird Weisung ausgehen und des Herrn Wort von Jerusalem. 4Und er wird richten unter den Nationen und zurechtweisen viele Völker. Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen machen und ihre Spieße zu Winzermessern. Denn es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen.
Der Friedensbeauftragte der EKD, Friedrich Kramer kommt aus der ehemaligen DDR. Dort war das Bild aus Jesaja „Schwerter zu Pflugscharen“ ein Symbol für die friedliche Friedensbewegung, die dazu beigetragen hat, dass die Mauer zwischen Ost- und Westdeutschland gefallen ist.
Viele friedensbewegte Christen haben in der damaligen DDR schwerwiegende Nachtteile in Kauf genommen, wenn sie Jesus gefolgt sind und darauf vertraut haben: Selig sind die Friedenstifter und gemahnt haben: Schmiedet die Waffen um.
Pastor Friedrich Kramer steht in dieser Tradition und vertritt weiter mutig die Auffassung, dass es möglich ist, Frieden zu lernen.
Frieden lernen! Unmöglich.
Unsere Konfirmanden finden es schon unmöglich, die Zehn Gebote auswendig zu lernen. Wann habt ihr euch vorgenommen, etwas Neues zu lernen? Wer von euch fühlt sich zu alt, um etwas Neues zu lernen?
Ist es nicht gerade das Privileg alter Menschen, dass sie schon so viel gelernt haben – ist das genug gelernt? Sind die Überzeugungen dann fest? Oder sind Gehirn und Seele bereit umzudenken?
Erwarten wir das Lernen von anderen? Oder haben wir auch einfach keine Lust dazu, weil es dann unbequem wird?
Jesaja meint, dass jede und jeder noch etwas zu lernen hat, wenn es um das Thema Frieden geht.
Frieden lernen hört nicht auf, weil Konflikte nicht aufhören. Frieden lernen bleibt ein Bewegung. Und es ist erstaunlich, was die Friedensforschung und Friedenspädagogik dazu beiträgt. Konfliktforschung und Friedensforschung sind auf gutem Wege – und machen weiter mitten im Krieg.
Aber es ist Arbeit: Daran lässt auch Jesaja keinen Zweifel:
Das Werkzeug wird umgeschmiedet: aus Schwertern werden Pflugscharen: Es bleibt ein Werkzeug. Der Frieden, den Jesaja sieht ist kein Schlaraffenland, wo es nichts mehr zu tun gibt. Der Frieden ist harte Arbeit – und bleibt es. Jedes Jahr wird neu gepflügt, wenn etwas wachsen soll. Frieden lernt man nicht einmal, sondern sein Leben lang.
Aus Spießen werden Winzermesser: Das sind die Werkzeuge, die im Weinberg gebraucht werden: Israel ist dieser Weinberg. Das Volk Gottes verstehen uns als Weinberg, in dem Gott am Werk ist. Gute Früchte im Weinberg sind die Grundlage für köstliche Weine, die des Menschen Herz erfreuen.
Gute Früchte im Weinberg Gottes unter den Menschen, die auf Gottes Weisung hören, sind Frieden, Gerechtigkeit: die Grundlage für köstliches Leben, in dem Menschen sich frei entfalten.
5Kommt nun, ihr vom Hause Jakob, lasst uns wandeln im Licht des Herrn!
Einer muss den Anfang machen: Jesaja sagt: wartet nicht auf andere, dass sie Frieden stiften. Tut es selbst: Kommt nun, lasst uns!
So gehen wir in jedem Gottesdienst gesegnet in die Welt, bescheint von der Güte, der Gnade und dem Frieden Gottes, gesandt in die Welt –
Kommt nun, ihr vom Hause der Johannesgemeinde, lasst uns wandeln im Lichte des Herrn und Frieden lernen!

