Predigten - 2025

1.Mose 28, 10-19a


predigt english


Die Gnade unseres Herrn, Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen.

Amen

Liebe Gemeinde, 

da liegt er der Jakob. Er liegt am Boden, äußerlich wie innerlich. Jakob, der Betrüger. Er hat sich den Segen von seinem Vater Isaak erschlichen.

Esau, sein älterer Zwillingsbruder war unterwegs.  Jakob und seine Mutter Rebekka hecken einen traurigen Plan aus. Rebekka mochte diesen Sohn lieber. Diesen sanften Jungen, der so anders war als der grob geschnittene Esau.

Und der Segen war wichtig. Der Segen eröffnete sich die gute Zukunft. Die wollte Jakob sich sichern, koste es, was es wolle.

Und nun liegt er da. Er liegt am Boden. Tiefer geht es nicht. Und es ist mitten in der Nacht. 

Er wollte das schnelle Glück. Er wollte den Reichtum auf Knopfdruck. Er wollte die Vergewisserung, dass alles gut geht in seinem Leben – und hat das Gegenteil erreicht.

Da liegt er am Boden. Auf einem Stein. Hart ist es, diese traurige Wahrheit über sich selbst zu akzeptieren. Was hat er da getan?

Nachdem er den Segen empfangen hatte, war Esau nach Hause gekommen. Schnell flog der gemeine Schwindel auf. Esau war erschüttert. Konflikt und Neid zwischen ihm und seinem Bruder war er gewohnt. Dass seine Mutter ihn nicht so gernhatte, wie ihren Lieblingssohn, damit hatte er sich abgefunden. Doch so betrogen zu werden in der eigenen Familie. Zu erleben, dass Jakob die eigenen Interessen so in den Vordergrund stellte. Purer Egoismus. Hauptsache ich, was geht mich mein Bruder an. „Soll ich meines Bruders Hüter sein?“. Was da zwischen Esau und Jakob geschieht erinnert an den Brudermord zwischen Kain und Abel. 

Die Geschichte von Abraham, Sarah und Hagar, ihren Söhnen, Ishmael und Isaak, deren Frauen und dann Jakob und Esau ist voller Konflikt und Schmerzen.

Neid. Betrug. Angst. Missgunst. So ehrlich wird erzählt. So erschütternd realistisch. So glaubwürdig.

Das alles ist eingebettet in die Geschichte Israels. Es ist der Anfang einer Geschichte, die seit Jahrtausenden von Leid geprägt ist.

Die große Klage in Situationen von unfassbarem Leid bringt immer wieder die Frage auf: „Warum?“

Warum erzählen die ersten Seiten der Bibel solche traurigen und tragischen Geschichten, in denen Menschen sich so viel Leid zufügen und dann am Boden liegen, erdrückt von der Schuld, die sie tragen?

Da liegt Jakob – er hat, was er wollte: den Segen seines Vaters und doch hat er alles verloren, was ihn ausmacht. 

Als Esau nach Hause kam, da hat er in dessen Augen geschaut. Esaus Augen, ein Spiegel der Seele. Da hat Jakob eine schwer verwundete Seele gesehen. Und vielleicht hat er in diesem Moment einen Augenblick lang begriffen: Was habe ich getan? 

Esau sucht Rache. Jakob hat Angst um sein Leben. „Wie gewonnen, so zerronnen!“, sagen wir mit einem deutschen Sprichwort. Das schnelle Glück eine Illusion. Der Segen auf Kosten anderer, ein Fluch.

Da liegt Jakob. Ganz allein. Auf sich geworfen. Ausgesetzt in der Einsamkeit der Nacht. Verlassen. Verloren. Ein Betrüger ist aus ihm geworden, weil er mit sich nicht fertig wurde und weil er nicht der sein wollte, der er war: Der Zweitgeborene. Weil Jakob mehr sein wollte, hat er erlaubt, dass Neid ihn antreibt. Er hat sich treiben lassen von der wahnsinnigen Idee, dass ihm etwas zusteht, was doch dem Bruder gehört.

Er hat sich genommen, was er wollte. Er hat nicht verstanden, dass Segen und Fluch nah beieinander liegen und Segen nichts ist, das man sich erschleichen oder kaufen kann. 

Sein Versuch auf Kosten seines Bruders ein gutes Leben zu führen ist fehlgeschlagen. Ich sehe in Jakob ganze Länder und Nationen: Länder und Nationen, die die Welt um ihren Segen betrügen.

Jakobs Haltung ist heute weit verbreitet. Menschen haben noch nicht viel dazu gelernt. Auch manche Präsidenten und Regierungen nehmen sich, was sie wollen. Ihre Brüder und Schwestern interessieren sie nicht. 

Das ist schwer auszuhalten. 

„Doch mitten in der Nacht“, so sagt ein jüdisches Sprichwort, „liegt der Anfang eines neuen Tages!“

Das wird in dieser Geschichte erzählt.

Gott erscheint Jakob im Traum. Himmel und Erde sind verbunden. Mitten in der Gottverlassenheit öffnet sich der Himmel und Gott gibt sich zu erkennen.

Die Engel haben schwer zu tun: auf und ab. Sie tragen das Leid der Welt in den Himmel und die Güte Gottes auf die Erde. Sie gehen hin und her. Sie geben die Welt nicht preis und offenbaren Gott.

Gott erscheint dem Betrüger – ich gebe dich nicht preis. Ich überlasse dich nicht deiner Schuld und Scham. Ich erlöse dich daraus – denn Schuld und Scham werden über Generationen Fluch bringen. 

Ich erlöse dich, Jakob. Du bist mein.

Als Leserin dieser Szene wünsche ich mir eigentlich, dass Gott ihn wachrüttelt und aufweckt. Ich wünsche mir, Gott würde ihn zurechtweisen und ihm seine Schuld noch bewusster machen. Ich wünschte mir, Gott würde dem Jakob eine Lektion erteilen.
Das ist menschliches Denken. Das ist Partei ergreifen für Esau und damit den Hass schüren, die Spaltung erlauben. In gewisser Weise ist es schwer auszuhalten, dass Gott sich auch dem zuwendet, der so viel Leid über andere gebracht hat.

Doch Gott ist Gott und ist nicht mit unserem menschlichen Maßstab zu messen. Wir hören von einem Gott, der Jakob schlafen lässt und ihn im Schlaf verändert: ohne das Zutun von Jakob. Nichts muss Jakob ihm entgegenbringen. Gott wendet sich ihm zu. 

Gott rechtfertigt nicht, was Jakob getan hat. Gott ergreift keine Partei für Jakob. Doch er gibt ihm Zukunft. Er schenkt ihm Hoffnung. Gott erbarmt sich über einen, der am Boden liegt und von seiner Schuld überwältigt ist und die Rache seines Bruders fürchtet. Den flüchtigen Jakob, dem heimatlosen Sünder, der sich selbst nicht mehr erkennt, dem gibt er ein neues Leben.
Ich verstehe das nicht. Ich staune. Diese Geschichte fordert mich heraus: Solange ich zwischen Esau und Jakob entscheiden muss. Solange ich mich nur mit dem Schmerz von Esau verbinde, solange werde ich Gott als ungerecht erleben. Wie kann Gott an der Seite Jakobs bleiben?

Gott kann. 

Im Neuen Testament sind Menschen ebenso erschüttert: Wie kann Jesus mit Sündern zu Tische sitzen? Ja, wie kann das sein?

Diese Frage ist wie ein Pfeil mitten ins Herz: wie kann es sein, dass der Betrüger leben darf. Erst wenn ich mich selbst mit diesem Betrüger identifiziere, erst wenn ich selbst merke, dass ich kein Deut besser bin als Jakob: dann werde ich die Befreiung spüren.

Wir Leser und Leserinnen dieser Geschichte sind so gewohnt die Welt in gute und böse Menschen zu unterscheiden. Und meistens schneiden wir gut dabei ab. Wir sind nicht Jakob. Wir sind doch Esau, der Betrogene und nicht der Betrüger.
Gerade darin betrügen wir uns wohl am meisten.

Gott rechtfertigt hier nicht die unmoralische böse Tat. Doch Gott gibt dem unmoralisch Handelnden eine weitere Chance.

Das bleibt für uns eine große Herausforderung: Weiter versuchen Gutes zu tun, uns nicht davon abbringen lassen: Dankbar sein, wenn es gelingt Gutes zu tun und sogar Böses zu überwinden. Doch es sollte uns nicht dazu bringen, dass wir meinen grundsätzlich besser zu sein. 

Wenn wir aber tatsächlich so eine Schuld auf uns geladen haben, wie Jakob – dann hören wir, dass es möglich ist, dass Gott sich in seiner Güte uns zuwendet.

Sobald wir nicht nur auf unser persönliches Leben betrachten, sondern zulassen, wie verwickelt wir in manche Schuld sind, dann werden wir vielleicht etwas kleinlauter: Wie verwickelt damals in die Apartheit und heute in die Ausbeutung der Welt. Wie verwickelt in die Umweltverschmutzung und Rassismus, verwickelt in eine Welt, in der es manchen materiell so gut geht und anderen so schlecht.


Diese Geschichte macht mich still und nachdenklich. Sie gibt keine rationale, logische Antwort. Sie ist mit dem Herzen zu verstehen, mit dem Herzen von Menschen, die am Boden liegen – und sich in einer Sackgasse befinden.


Was Jakob in dieser Nacht begreift, ist:
„Wie heilig ist dieser Ort!“ Das nehme ich mit: Das Staunen, wie heilig ein Ort sein kann,
an dem Gott einem Sünder begegnet. Wie heilig der Ort ist, an dem ein Mensch sich so gottverlassen fühlt, gefangen in seiner Schuld. „Wie heilig ist dieser Ort!“

„Wie heilig ist dieser Ort!“ – an dem ein unheiliger Mann am Boden liegt. Mich bewegt dieser Blick. Wie oft fahre ich an Orten vorbei, wo ich nur das Böse sehe. Den Dreck. Das Unheilige. Orte, die ich meide, weil ich Angst habe. Weil ich mit manchen Menschen nichts zu tun haben möchte.  Doch vielleicht sind gerade sie – heilige Orte. Orte, an denen Gott schon längst da ist. Orte, an denen der Himmel offensteht.

So sagt es Jochen Klepper in einem Adventslied:

„Noch manche Nacht wird fallen auf Menschenleid und -schuld. Doch wandert nun mit allen der Stern der Gotteshuld. Beglänzt von seinem Lichte, hält euch kein Dunkel mehr, von Gottes Angesichte kam euch die Rettung her.“ EG 16,4

Der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen


Amen

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