(Predigttext: Mk 4, 26-29)
26 Und er sprach: Mit dem Reich Gottes ist es so, wie wenn ein Mensch Samen aufs Land wirft
27 und schläft und steht auf, Nacht und Tag; und der Same geht auf und wächst – er weiß nicht wie.
28 Von selbst bringt die Erde Frucht, zuerst den Halm, danach die Ähre, danach den vollen Weizen in der Ähre.
29 Wenn aber die Frucht reif ist, so schickt er alsbald die Sichel hin; denn die Ernte ist da.
Liebe Gemeinde!
Der Erfolg der Predigt des Jesus aus Nazareth lebte und lebt von Sehnsüchten. Davon, dass ich mir wünsche, dass mein Leben heil und geborgen ist. Davon, dass ich mir Mehr vom Leben verspreche, dass ich oft gar nicht recht formulieren kann. Davon, dass ein Leben möglich ist, in dem nicht Gewalt und Hass und Tod das letzte Wort habe. Nur so lässt es sich erklären, dass Jesus Menschen in seinen Bann zog. Manche nicht nur für kurze Zeit, sondern etliche so sehr, dass sie alles verließen, um im nachzufolgen. Und er heilte Menschen an Leib und Seele, mal spektakulär und publikumswirksam, dann eher im Stillen und Verborgenen. Er sprach vom Ende der Welt, auch von der kosmischen Katastrophe, die nahe sei. Viele zog er so in seinen Bann. Aber wohl noch mehr war es zugleich die stille, die zugewandte Weise seines Wesens, die Art, wie er vom Kommen des Gottesreiches, der Herrschaft Gottes über Mensch und Welt, sprach. Nicht nur Bewegung, Erregung,
Kampfeswille ging von diesem Mann auf. Neben dem Zorn des Propheten steht der liebevoll Blick auf die Wirklichkeit dieser Welt, die ihm Anlass für seine Gleichnisse wurden. Ebenso gab es die ruhenden Pole seiner Verkündigung. Das wird besonders in den Gleichnissen deutlich, etwa dem vom Sämann das wir im Evangelium gehört haben, aber auch in jenem kleinen Gleichnis von Gottesreich, das uns Markus überliefert.
Ganz unspektakulär kann Jesus da von der Nähe und dem Anbruch der Gottesherrschaft sprechen. Wer die großen Bilder der alttestamentlichen Prophetie, etwas eines Daniel, hier sucht, wird enttäuscht. Keine apokalyptischen Schrecken. Unscheinbar, geradezu provozierend unauffällig kommt das Reich Gottes zu den Menschen. Ja, eigentlich müsste man den Bauern schelten, der so seinen Acker bestellt: Nur Säen, Warten und Ernten. Mehr soll nicht zu tun sein? Kein Gießen, kein Unkraut jäten, kein Zaun oder eine Vogelscheuche, um die Saat zu schätzen.
Allenfalls der Acker muss vorbereitet sein, empfänglich für die Saat, die gesät werden soll. Alles andere steht außerhalb der Macht des Bauern, der da am Werke ist. Wo es ausgesät ist, da ist das Reich Gottes schon am Werke, unsichtbar zunächst – aber es wächst, wie von selbst, der Bauer weiß nicht wie. Tag und Nacht vergehen, schlafen gehen und wieder aufstehen – und der Same wächst, bildet sich aus, kommt zu seiner Bestimmung, wird reif und schließlich ist die Ernte da.
Das Gleichnis lebt von seiner Schlichtheit und Schönheit. Das, was in uns angelegt, bestimmt, ausgesät ist, das soll sich auch entfalten. Gottes Reich kommt nicht nur mit äußerer Gebärde, sondern es wächst ebenso auch inwendig in uns. Es ist keineswegs nur eine Vertröstung auf ein nahes oder fernes Später, sondern es wirkt in uns, unscheinbar vielleicht zunächst, in Gesten und Worten der Zuwendung, der Liebe, des Trostes, es beginnt hier und jetzt. Gottes Herrschaft in unseren Herzen wächst dort, wo wir bereit sind, über den Sinn, das Woher und das Warum unseres Lebens zu öffnen. Manchmal wissen wir nicht wie, von selbst soll es Frucht bringen.
Neben dieses Schöne tritt aber auch das Verstörende. Nach außen mag das ein schlechter Bauer sein, der die Saat so sich selbst überlässt. Nach außen mag es enttäuschend sein, dass nicht die große Veränderung versprochen wird – nicht zufällig führt die Geschichte bei Markus rasch zum großen Konflikt. Nach außen mag es uns verwunderlich erscheinen, dass hier unser Tun und Machen an Grenzen gerät. Aber vielleicht ist das gerade nicht nur verstörend, sondern auch befreiend. Es liegt nicht an meinen frommen Übungen, meinen politisch oder kirchlich korrektem Agieren, dass Gottes Reich um mich herum und in mir selbst zum Wachsen kommt. Da kommt es gerade nicht auf meine eigene Arbeit an, sondern es ist Vertrauen und Geduld, was Not tut, es ist die Fähigkeit, die Fragen und Zweifel zuzulassen und nicht auf alles eine Antwort zu wissen. Manchmal neigen wir vielleicht dazu, zu viel zu wissen und zu wenig zu fragen.
Das ist die schlichte, aber eben auch verstörende Botschaft von Reich Gottes. Es hat einen Anfang bei dir, bringt etwas in dir zu klingen, weckt eine Frage, ruft eine Hoffnung wach. Aber du musst nicht ständig an dir selbst arbeiten, als käme es nur darauf an. Das gilt im Übrigen auch für unsere Debatten über die Zukunft von Kirche, für die wir schlaue und gewiss gut gemeinte Konzepte und Papiere und Leitbilder erarbeiten. Martin Luther hat in einer Predigt 1522, als es in seiner Gemeinde drunter und drüber ging, als der Reformeifer vieler überhandnahm und vor lauter Aktivismus, das Reich Gottes bauen zu wollen, vieles zerstört wurde, was über Jahrhunderte gewachsen war, folgendes gesagt:
„Ich habe allein Gottes Wort getrieben, gepredigt und geschrieben, sonst habe ich nichts getan. Das hat, wenn ich geschlafen habe, wenn ich wittenbergisch Bier mit meinem Philippus und Amsdorf getrunken habe, so viel getan, dass das Papsttum schwach geworden ist, dass ihm noch kein Fürst noch Kaiser so viel abgebrochen hat. Ich hab nichts getan, das Wort hat alles gehandelt und ausgerichtet.“
Was also Not tut, ist eben auch Geduld und Gottvertrauen. Was ja nicht heißt, dass man sich einfach gehen lässt und nur schlafen und Bier trinken soll.
Aber ob wir als Menschen unsere Bestimmung erreichen, Gott Kinder zu sein, das hängt nicht an uns allein.
Es hängt vielleicht daran, dass wir empfänglich, sensibel sind für jene Sehnsüchte, die unser Leben
bestimmen. Gewiss, da ist auch der Imperativ, du sollst dein Leben ändern. Aber dem geht jener Indikativ,
jene Zusage, jene Seinsverheißung voraus. Auch in dir wächst Gottes Reich; der Same geht auf und wächst –
und du weißt nicht wie.
Amen.