2017-02-26 - Estomihi - Pastor Dr. Christian Nottmeier

(Predigttext: Lk10, 38-42)


38 Als sie aber weiterzogen, kam er in ein Dorf. Da war eine Frau mit Namen Marta, die nahm ihn auf.

39 Und sie hatte eine Schwester, die hieß Maria; die setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seiner Rede zu.

40 Marta aber machte sich viel zu schaffen, ihnen zu dienen. Und sie trat hinzu und sprach: Herr, fragst du nicht danach, dass mich meine Schwester lässt allein dienen? Sage ihr doch, dass sie mir helfen soll!

41 Der Herr aber antwortete und sprach zu ihr: Marta, Marta, du hast viel Sorge und Mühe.

42 Eins aber ist not. Maria hat das gute Teil erwählt; das soll nicht von ihr genommen werden.



Liebe Gemeinde,


sein Leben verantwortlich zu führen, bedeutet Entscheidungen zu fällen. Und so treffen wir jeden Tag solche Entscheidungen. Wir entscheiden, wann wir losfahren müssen, um rechtzeitig bei der Arbeit zu sein. Wir
entscheiden, wann und was wir wie zubereitet essen wollen. Wir entscheiden über die Gestaltung unseres Abends. Das sind kleine Entscheidungen, die aber doch wieder ihren Grund in einer anderen, übergeordneten Entscheidung haben, nämlich der, wie wir unser Leben führen wollen oder müssen. Dass wir diesen oder jenen Beruf ergriffen haben, unsere familiären Verhältnisse in der einen oder anderen Weise geordnet haben.


Das sind freilich Entscheidungen, die wohl überlegt sein wollen, denn sie sind nicht ohne weiteres rückgängig zu machen. Und je älter wir werden, desto mehr haben wir Entscheidungen getroffen, die uns in unserem Leben festlegen – die nicht einfach zu revidieren sind. Manche solcher Entscheidungen werden früh getroffen, schon in jungen Jahren, wenn es um die Berufswahl geht. Für manche Menschen sind sie klar – ich wollte schon immer diesen oder jenen Beruf ergreifen – andere ringen damit. Entscheidungen verlangen jedenfalls Kriterien, nach denen entschieden werden muss. Das gilt für Entscheidungen in meinem Leben, aber auch für Entscheidungen, mit denen ich in das Leben anderer eingreife. Solche Entscheidungen verlangen auch, dass ich weiß, was ich will. Dass ich weiß, wie mein Leben aussehen soll, auch dann, wenn vieles anders kommt. Dass ich weiß, was mir wichtig im Leben ist. Welche Werte für mich zählen, welchen Menschen ich vertrauen, welchen Sinn ich im Leben sehe. Danach richte ich meine Entscheidungen, danach versuche ich mein Leben zu führen und danach erzähle ich auch anderen die Geschichte meines Lebens.

Nicht immer fallen Entscheidungen gleich auf das Verständnis anderer. Ich muss sie erklären und mich verständlich machen, manchmal aber auch da, wo – vielleicht zu Recht – Unverständnis herrscht, auf meiner Entscheidung bestehen.


Denn: Leben realisiert sich in Entscheidungen. Davon handelt auch der Predigttext, den wir gehört haben. Jesus kommt in das Haus zweier Schwestern, Maria und Marta. Beide haben sich zweifellos gefreut über diesen Besuch und wollen es ihm so angenehm wie möglich machen. V. a. Marta bemüht sich sichtlich um ihren Gast. Gut soll es ihm gehen in ihrem Haus. Vielleicht sind noch einige der Jünger dabei. Auch die wollen bewirtet sein. Und so ist der Tisch zu decken, das Essen zuzubereiten, allein ist das kaum zu schaffen. Ich kann mir gut vorstellen, wie Marta sich über ihre Schwester zu ärgern beginnt. Die könnte doch auch mal mit anfassen, stattdessen sitzt sie nur rum. Alleine schaffe ich es doch nicht! Und vielleicht säße sie auch gerne so bei Jesus wie Maria, will ebenso von ihm beachtet werden. Sie spricht deshalb nicht ihre Schwester an und sagt: Komm, Hilf mir. Sondern sie geht direkt zu Jesus und beschwert sich: Sag ihr doch endlich, dass sie mir helfen soll.


Jesus reagiert merkwürdig. Er fordert Maria nicht auf, der Schwester noch schnell zu helfen. Er sagt auch nicht zu Marta: Komm, setzt dich zu uns. Er tadelt Marta allerdings auch nicht: Siehst du nicht, dass wir etwas zu besprechen haben. Er nimmt ihre Situation war: „Marta, Marta, du hast viel Sorge und Mühe. Eins aber ist not. Maria hat das gute Teil gewählt, und das soll nicht von ihr genommen werden.“

Immerhin, Jesus sieht die Sorgen und Mühen der Marta, er nimmt sie ernst. Oder lobt er vielleicht doch die Untätigkeit der Schwester Maria? Wirklich gerecht geht es ja gerade nicht zu im Hause der zwei Schwestern. Eine schuftet, die andere pickt sich die Rosinen raus und kann den Reden des hohen Gastes lauschen. Dass Marta mit ihrer Rolle zufrieden ist, ist allerdings auch kaum vorstellbar. Unzufrieden wird sie mit ihrer Rolle schon sein, irgendwie unausgefüllt. Ständig umherhetzend, alles muss sie im Blick haben. Aber daraus auszubrechen, sich einfach hinzusetzen, das tut sie auch nicht. Dazu fordert aber auch Jesus sie nicht aus. Er bevormundet sie nicht, sondern wartet auf ihre eigene Entscheidung. Wenn du weitermachen willst, dann tu das. Aber wenn du Ruhe brauchst, so wie Maria, dann nimm sie dir auch. Deine Schwester Maria hat sich entschieden. Sie ist nicht faul, aber sie weiß, dass manchmal nur eines nottut, man nur eine Sache machen kann, und die dann ganz.

Maria konzentriert sich so ganz auf die Worte Jesu, nutzt diese einmalige Gelegenheit, die vielleicht niemals wiederkommt, Jesus zu hören. Eines aber tut not, sagt Jesus. Für Maria ist es, jetzt auf ihn zu hören. Dafür hat sie sich entschieden, auch wenn sie ihrer Schwester Martha damit vor den Kopf stößt.


Martha dagegen hat diese Entscheidung noch nicht getroffen, sie bricht nicht aus ihrer Geschäftigkeit und der Rolle als gute Gastgeberin, die sie auszufüllen versucht.


Allerdings, Jesus tadelt auch das nicht. Er gibt keinen Freibrief für Faulenzerei, wohl aber dafür, sich Zeit und Ruhe zu nehmen, um neben aller Geschäftigkeit sich zu fragen, wofür das alles getan wird. Sich zu fragen, worauf baue ich mein Leben, woraus schöpfe ich meine Kraft. Auch Martha wird darum wissen, auch sie wird ein Ziel in ihrem Leben haben, eine Vorstellung davon, worauf es ihr ankommt, was ihr wirklich wichtig ist. Und doch droht sie über ihre Geschäftigkeit dieses Ziel vielleicht aus den Augen zu verlieren, sich in den Sorgen und Mühen des Tages zu verlieren, in Routine und Arbeit zu versinken. Denn was nutzt die große Aktivität, wenn jetzt eigentlich anderes gut wäre, ja vielleicht sogar das eine, das nottut? Wenn ich vergesse zu fragen, was eigentlich jetzt an der Zeit ist?

Wir hören nicht, wie die Geschichte weitergeht. Wird Martha sich zu Maria setzen, wird sie ihre Geschäftigkeit unterbrechen? Oder wird sie ihr weiter Vorwürfe machen? Wir wissen es nicht. Martha hat die Wahl. Sie kann sich entscheiden.

Eines tut not, sagt Jesus, und dafür hat Maria sich entschieden. Wenn Gott in Jesus Christus zu uns kommt, dann ist Hören und Empfangen das erste und das eine, das nottut. Nur eine Weise gibt es dann, ihm zu dienen: auf Gott in meinem Leben zu lauschen mit einem für ihn offenen Herzen. Mit diesem Lauschen und Hören auf Gott fängt alle Gottesbegegnung in unserem Leben an. Da, wo wir einen Grund in unserem Leben ausmachen, den wir nicht selbst geschaffen haben. Da, wo uns klar wird, das unser Leben sein Ziel und seinen Sinn nicht aus sich selbst heraushat. Dazu braucht es Zeit und Ruhe, Momente, in den ich in mich hineinhören kann. Es geht dabei nicht darum, Aktivität und Geschäftigkeit gegen Ruhe und Besinnung auszuspielen. Beides brauchen wir. Jeder hat gleichsam Maria und Marta in sich. Entscheidend allerdings ist, darauf zu achten, was für mich an der Zeit ist – Aktivität oder Besinnung. Es geht so darum, in all meinem Tun nicht das zu verlieren, woraufhin ich mein Leben ausrichten will. Nicht die Quellen aus dem Blick zu verlieren, aus denen ich meine Kraft und meinen Trost, meine Hoffnungen und meinen Halt beziehe. Es geht darum, in allen Dingen, die um mich geschehen, nach den Spuren Gottes in meinem Leben Ausschau zu halten, sie in allem zu entdecken: in der Geschäftigkeit und im Zuhören, im Alltag und im Gottesdienst, im Miteinander von Menschen, aber auch im Abendmahl, das wir gleich feiern wollen.


„Denn was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne, und nähme doch Schaden an seiner Seele?“, so haben wir es im Evangelium gehört. Es ist diese Sorge um meine Seele und ihren Gott, die Jesus die Wahl der Maria fürs Hören und Empfangen als den guten Teil, den sie gewählt hat, zu bezeichnen.

Dass wir Gott hören und für ihn empfänglich sind, darum wollen wir bitten:

Gott, lasse mich vor dir schweigen, damit ich die hören kann.
Und in dir bleiben – damit du in mir wirken kannst.
Mich dir öffnen,
damit du eintreten kannst;
vor dir leer werden, damit du mich füllen kannst.
Lasse mich stille sein und wissen, dass du mein Gott bist.


Amen.


 

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