2017-03-12 - Reminiszere - Pastor Dr. Christian Nottmeier

(Predigttext: Mt 12, 38-42)


38 Da antworteten ihm einige von den Schriftgelehrten und Pharisäern und sprachen: Meister, wir wollen ein Zeichen von dir sehen.

39 Er aber antwortete und sprach zu ihnen: Ein böses und ehebrecherisches Geschlecht fordert ein Zeichen, und es wird ihm kein Zeichen gegeben werden außer dem Zeichen des Propheten Jona.

40 Denn wie Jona drei Tage und drei Nächte im Bauch des Fisches war, so wird der Menschensohn drei Tage und drei Nächte im Herzen der Erde sein.

41 Die Leute von Ninive werden auftreten beim Gericht mit diesem Geschlecht und werden es verdammen; denn sie taten Buße nach der Predigt des Jona. Und siehe, hier ist mehr als Jona.

42 Die Königin vom Süden wird auftreten beim Gericht mit diesem Geschlecht und wird es verdammen; denn sie kam vom Ende der Erde, Salomos Weisheit zu hören. Und siehe, hier ist mehr als Salomo.


Liebe Gemeinde,


„Alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles im Namen Jesu, und danket Gott und dem Vater durch ihn.“ Dieses Wort aus dem Kolosserbrief ist gleichsam das Leitmotiv der Kantate von Dietrich Buxtehude, die wir heute in diesem Gottesdienst hören. Ganz auf Dankbarkeit und Gotteslob ist sie gestimmt, so wie es diesem Festtag und diesem Jubiläum entspricht. Ja, wir sind in dieser Gemeinde reich beschenkt mit Gaben und Talenten, mit Segen und Trost, in den vielen guten, aber auch den schweren Tagen, auf die wir als Gemeinde wie als einzelne zurückblicken können. Dazu passt auch das Motiv dieses zweiten Sonntags der Passionszeit: „Gedenke, Herr an deine Barmherzigkeit.“ Ja, Gott hat auch unserer gedacht, auch unserer Gemeinde in den 25 Jahren. Das ist kein Verdienst, dessen wir uns loben oder das wir uns gar selbst
zuschreiben können, sondern natürlich ist es ein Geschenk, eine Gabe. Beim dankbaren Rückblick, auch beim Blättern in den eigenen Erinnerungen und auch in der Festschrift zum Gemeindejubiläum wird das, so denke ich, deutlich. Das schafft Grund zur Dankbarkeit und gibt Hoffnung für die Zukunft. Genau das brauchen wir,
als einzelne, aber auch als Gemeinde, die in großer Vielfalt und großer Verschiedenheit unterwegs ist zu Christus als ihrem Herrn. Damit setzen dieses Gedenken und dieser Gottesdienst auch ein Zeichen gegen alle Unsicherheit und Fragen, was die Zukunft wohl bringen wird. Und ich denke dabei weniger an Zukunft im personellen oder institutionellen Sinn, sondern mehr an eine geistliche Frage, die Menschen immer wieder, auch uns immer wieder beschäftigt. Unsicherheiten, Unklarheiten, sie gehören zu unserem Leben. Privat, im politischen und gesellschaftlichen Bereich oder auch bei der Arbeit. Mehr noch, diese Unsicherheiten betreffen auch unseren Glauben, der sich nach immer neuer Bestätigung, immer neuer Klarheit sehnt, die sich aber eben oft nur schwer und meist nicht so eindeutig einstellt, wie wir uns das oft wünschen.
Vielmehr scheint da oft nur ein sicher: Dass diese Unsicherheiten einen Menschen zermürben können. Zweifel an Dingen, die einem felsenfest standen, können einen Menschen aufreiben. Da wird dann der Wunsch nach Sicherheit und Eindeutigkeit groß, was ganz verständlich ist. Verständlich, aber nicht ungefährlich. Denn meist sind die Probleme vielfältiger, als es vermeintlich einfache Lösungen vermuten lassen. Das gilt für die Politik. Gewiss hätten wir manches gerne eindeutiger und klarer. Aber doch sind die Probleme unsres Landes so komplex, dass sie gerade nicht mit einfachen Parolen gelöst werden können. Klarheit, Übersichtlichkeit, Eindeutigkeit und Gewissheit, das wünschen wir uns nicht weniger als auch für unseren privaten Bereich. Auseinandersetzungen und Konflikte können so verfahren sein, dass es viel Zeit und Kraft kosten kann, sie zu lösen.

 

So verlockend da die Forderung nach Eindeutigkeit ist, nach klaren Taten, nach zwingenden Beweisen, nach Zeichen der Versöhnung, so schwer können sie erbracht werden. Das liegt wohl auch daran, dass das Leben selbst alles andere als eindeutig ist. Immer muss ich interpretieren und deuten. Wie ist eine Geste oder ein
Wort gemeint? Und wie interpretieren andere meine Worte, mein Verhalten? In vielen Fällen zum Glück so, wie ich es verstanden wissen will, aber nicht immer. Ein gut gemeintes Wort kann auch missverstanden werden, nicht freundlich, sondern belehrend wirken und so Verletzung und Unfrieden bewirken. Und ich
mag manches Wort zu sehr auf die Goldwaage legen, eine Anklagen hören, wo nur eine Frage gemeint war. Immer muss ich deuten und interpretieren, so dass ich dabei auch falsch liegen kann. Nichts ist wirklich eindeutig.


Vom Wunsch nach Eindeutigkeit, nach einem nicht trügerischen, sondern wirklichen Zeichen, einem durchschlagenden Beweis, handelt auch unser Predigttext. Er beginnt mit einer Frage, genauer gesagt einer mehr als dringlichen Bitte, die an Jesus herangetragen wird:


„Da fingen einige von den Schriftgelehrten und Pharisäern an und sprachen zu ihm: Meister, wir möchten gern ein Zeichen von dir sehen.“


Man wird darüber streiten können, ob dieser Wunsch wirklich ernst gemeint ist. Immerhin hat Jesus kurz vorher mehrere Zeichen, nämlich Wunder vollbracht. Und doch drängen die Pharisäer darauf, dass Jesus sich deutlicher ausweist, sich eindeutig zu erkennen gibt. Mag sein, dass sie nur nach einem Vorwand für eine
spätere Anklage suchen. Aber dennoch fordern sie Klarheit, Eindeutigkeit von Jesus. Zeige uns doch ein für alle Mal, dass du von Gott gesandt bist! Die Wunder, die Jesus da vollbracht hat, scheinen nicht recht zu zählen. Denn Wunder, das tuen für die Menschen der alten Welt auch andere. Wunder sind für die Alten
nichts Außergewöhnliches. Sie reichen jedenfalls ganz offensichtlich nicht als Beweis dafür aus, dass Jesus der Gesandte Gottes ist. Klarheit und Eindeutigkeit, letzte Gewissheit, das fordern die Pharisäer ein. Doch dann folgt die Antwort Jesu:


„Und er antwortete und sprach zu ihnen: Ein böses und abtrünniges Geschlecht fordert ein Zeichen, aber es wird ihm kein Zeichen gegeben werden, es sei denn das Zeichen des Propheten Jona. Denn wie Jona drei Tage und drei Nächte im Bauch des Fisches war, Die Leute von Ninive werden auftreten beim jüngsten Gericht mit diesem Geschlecht und werden es verdammen; denn sie taten Buße nach der Predigt des Jona. Und siehe, hier ist mehr als Jona. Die Königin vom Süden wird auftreten beim Jüngsten Gericht mit diesem Geschlecht und wird es verdammen; denn sie kam vom Ende der Erde, um Salomos Weisheit zu hören. Und siehe, hier ist mehr als
Salomo.“


Brüsk weist Jesus äußere Zeichen als Beleg seines Kommens von Gott ab. Er verweigert sich dem Wunsch nach Klarheit und Eindeutigkeit. Allein ein Zeichen erkennt er an, und das ist er selbst. Er erwähnt die Geschichte vom Propheten Jona, den Gott nach Ninive schickt und sich diesem Auftrag zunächst durch Flucht übers Meer entzieht. Nach einem Sturm wird er von einem Wal verschluckt. Drei Tage und Nächte ist er im Leib des Fisches, bis der ihn ans Land bringt und Jona seinen Predigtauftrag ausführt „So wie Jona“, sagt Jesus, „wird der Menschensohn drei Tage und drei Nächte im Schoß der Erde sein.“ Jesus verweist damit auf seine Passion und seine Auferstehung – drei Tage sind es, die Jesus im Tode verbringt, bis Gott ihn auferweckt. Und Jesus weist noch einmal ausdrücklich auf sich selbst: Hier, das meint hier und jetzt, unter euch, bin ich, unendlich viel mehr als Jona.


Auf eine zweite Geschichte spielt Jesus dann an. Die Königin von Saba, so berichtet das AT, hört von der Weisheit des Königs Salomos aus der Glanzzeit des Königreiches Israel und Juda und zieht nach Jerusalem, um ihn zu besuchen. Gottes Liebe, Recht und Gerechtigkeit erkennt sie an seinem Reichtum und seiner Weisheit. Auch hier weist Jesus auf sich selbst. Hier, mitten unter euch, bin ich, mehr als Salomo. Gewiss, dieser Hinweis Jesu auf sich selbst als einziges Zeichen des Glaubens mag auch klar und eindeutig erscheinen. Und doch, für die Hörer dieser Worte muss das mehr als nur anmaßend, ja verrückt geklungen haben. Ein Zimmermannssohn aus Nazareth sollte mehr sein als der Prophet Jona und mehr noch als der bedeutendste König, den das Land hervorgebracht hatte und der immerhin den Tempel gebaut hatte? Eindeutig war das doch eher nicht, allenfalls verrückt. Und auch die weitere Geschichte Jesu ließ davon wenig erkennen Der Weg nach Jerusalem, zunächst bejubelt, aber dann bald allein gelassen, Selbst die Getreuen ließen ihn im Stich. Am Kreuz gestorben wie ein Verbrecher. Noch am Kreuz verhöhnen ihn die Schriftgelehrten und fordern ein letztes Zeichen: „Ist er der König von Israel, so steige er nur vom Kreuz herab. Dann wollen wir ihm glauben!“


Gegen die Zeichenforderung, den Wunsch nach Sicherheit und Eindeutigkeit, weist Jesus auf sich selbst. Nicht die Zeichen und Wunder sind das Evangelium und die frohe Botschaft, sondern er selbst. Nicht einzelne Worte oder Lehrsätze sind dieses Evangelium, sondern Jesus selbst. Es ist dieses unendliche und unergründliche Gottvertrauen, dass Jesus seinen Weg gehen ließ, durch das er zum Evangelium für viele wurde. Alles andere als klar und sicher war sein Schicksal, alle äußeren Zeichen sprachen gegen ihn, zuletzt schien er gescheitert –und blieb mit seinem Gottvertrauen doch im Recht.


Jesus wird uns zu einem solchen Zeichen des Gottvertrauens nicht da, wo wir äußere Zeichen, Beweise und Beglaubigungen seiner Wahrheit fordern. Sondern er wird mir da ein Zeichen der göttlichen Liebe, wo sich mir diese Liebe und dieses Gottvertrauen als wahr erweist. Da, wo ich mich angenommen und geborgen weiß. Entscheidend ist damit nicht die äußere Beglaubigung Jesu, sondern dass er mir eine gegenwärtige Macht in meinem Herzen wird, die mir Kraft zum Leben auch wider den Tod zu geben vermag. Ich betrachte mein Leben und begebe mich auf die Suche nach den Spuren, in denen Gott mir als der mich im Leben Tragenden und Behütende begegnet ist. Und ich vermag dann vielleicht zu sehen, dass da ein solches Mehr ist, von dem Jesus spricht. Hier ist mehr als all das, was mich sonst beglücken und auszufüllen mag. Hier ist mehr als die Träume und Wünsche, die ich zu Recht noch in meinem Leben hege. Hier ist mehr, so kann Jesus sagen, der auch sagt: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.


Nicht alles in meinem Leben wird dadurch sicher und eindeutig. Die Vieldeutigkeit des Lebens und auch des Glaubens bleibt. Ist mir die Liebe und Güte Gottes mal gewiss, so mag sie mir zu anderen Zeiten mehr als zweifellhaft sein. Aber auch dann darf ich da, wo Jesus mir der Herr meines Herzens ist, gewiss sein, in Gott geborgen auf ewig geborgen zu sein.


Für diese Orientierung auf Christus, in dem uns in Schmerz und Leid Gottes Liebe begegnet, steht das in unserer Kirche. Das Gemeindeglied Prof. Uli Schmid hat es gefertigt aus Tamboti-Holz der alten Hermannsburger Missionsstation in Ramotswa – ein Hinweis auf die Geschichte der Hermannsburger Mission, in deren Tradition die Gemeinde sich bis heute befindet. Denn wir gehören hierher, in dieses Land und diese Stadt, sind hier verwurzelt. Der Corpus selbst ist aus einem ganzen Stück eines umgestürzten
Boekenhout-Baums gestaltet – auch das ein Zeichen, dass diese Gemeinde fest in Südafrika verwurzelt ist und genau hier auch ihre Zukunft sieht. Dieser mit uns und unserer Herkunft verbundene Christus schreit und leidet am Kreuz. Zugleich breitet er seine Arme zum Segen aus. Ihn wollen wir folgen in den guten und in den schlechten Tagen. Denn der Christus am Kreuz wird sie dabei begleiten. Unter seinem Segen wollen wir leben. Er steht uns zur Seite.


„Alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles im Namen Jesu, und danket Gott und dem Vater durch ihn.“ Ja, bei allen Sorgen, allen Unsicherheit, wir sind auch reich Beschenkt. Heute wird das im Rückblick deutlich. Anlass genug, mit Zuversicht, Gelassenheit und Gottvertrauen auch in die Zukunft zu schauen. Denn Gott gedenkt seiner Barmherzigkeit. Er geht mit.


„Alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles im Namen Jesu, und danket Gott und dem Vater durch ihn.“ Ja, bei allen Sorgen, allen Unsicherheit, wir sind auch reich Beschenkt. Heute wird das im Rückblick deutlich. Anlass genug, mit Zuversicht, Gelassenheit und Gottvertrauen auch in die Zukunft zu schauen. Denn Gott gedenkt seiner Barmherzigkeit. Er geht mit.


Amen

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