2018-12-30 - 1. Sonntag nach Weihnachten - Pfarrerin Nicole Otte-Kempf

Zusammenfassung Ansprache zu Lk 2,25-38


Heute, knapp eine Woche nach Weihnachten: der Stall steht noch, dazu Maria und Josef und das Kind in der Krippe. Stellt euch heute mal folgendes vor: wir ersetzen den Stall und stellen einen Tempel auf, den Tempel von Jerusalem und anstelle von den Engeln, Hirten und Königen zwei sehr alte Leute. Ein Mann, eine Frau. Und es gibt kein „Es begab sich aber zu der Zeit“, sondern ein „Geboren in Nazareth, beschnitten nach dem Gesetz.“

 

Maria und Josef können noch nicht in vollem Ausmaß erahnen, was genau es mit ihrem Sohn auf sich hat. Aber natürlich ist ihr Kind besonders. Sie wollen im Tempel ein Opfer bringen, ihr Kind Gott vorstellen. Das wäre auch in Nazareth gegangen, aber sie reisen nach Jerusalem. Eine Mutter, ein Vater, am Beginn ihres gemeinsamen Lebens, glücklich mit dem, was sie haben, aber auch offen für etwas Großes. Etwas Großes für ihren Sohn. Hören wir die Weihnachtsgeschichte von Jerusalem aus dem 2. Kapitel des Lukasevangeliums: (Lk 2,25-35)

 

Liebe Gemeinde, Weihnachten heute also in Jerusalem. Stellen wir es uns vor: Keine Krippe, aber der Tempel. Simeon, ein alter Mann, sicherlich mit Falten in seinem Gesicht. Er hat sein Leben lang gewartet und das sieht man ihm an. Dieser Mann ist ein geduldiger Mensch, aber in ihm drin steckt eine gebändigte Kraft, die er aufgehoben hat, damit er das Erwartete auch erleben kann. Er gibt sich nicht damit zufrieden, dass sich die Träume vom Frieden in Rauch auflösen… Kann man das denn?

 

Ein Leben aushalten, das sich erst zuletzt erfüllt? Leben, weitermachen, Tag für Tag, aus dem Fenster schauen, wie alte Menschen manchmal tun, das Ticken der Uhr, Warten aufs Essen, auf Verwandte, die vorbeischauen ab und zu, warten, dass jemand kommt und wieder geht, Erinnerungen eines langen Lebens und fast alles liegt hinter einem.

 

Simeon wartet, wartet mit Unruhe und findet keinen Frieden. Lass mich nicht sterben, Gott, wird er gebetet haben. Simeon wartet auf den Trost Israels, einst vom Propheten Elia prophezeit. Er ist einer, der erwartet, dass das zu seinen Lebzeiten geschieht, wonach sich sein Volk seit Jahrhunderten sehnt. Er erwartet, dass Gott ihn hört. Was für ein Selbstbewusstsein! Ich, ich will das. Ich will das erleben.

Und nun hält hat Simeon das Kind in seinen Armen. Ein Leben, ganz am Anfang.

Er wird nicht erleben, wie dieses Kind aufwächst und welche Wege es geht, aber es ist genug für ihn: Der Retter ist da. Nun kann ich in Frieden sterben.

Sehnsucht und Erfüllung in einem.

 

Simeon hält das Kind auf dem Arm und mit seinen durch Hoffnung geschärften Augen weiß er genau, was er sieht. Er weiß, er steht in diesem Augenblick im Mittelpunkt der Welt und mit diesem Baby hält er den Schlüssel zum Frieden auf dem Arm. Das sagt er den Eltern. Da ist nichts mehr mit Seligkeit und Blindheit vor Liebe. Wie groß auch die Erwartungen der Eltern für ihr Kind sein mögen, sie werden korrigiert. Simeon ist nicht blind in seiner Hoffnung. Er sieht das Schwert, das dieses Kind seiner Mutter in die Seele stoßen wird, er sieht die Kämpfe, die dieses Kind gegen viele führen muss und für die es keine Waffen mit auf den Lebensweg bekommt, nur Liebe und den Mut, den Weg dieser Liebe zu gehen.

 

Der klare Blick des Simeon, den stelle ich mir vor und die erstaunten, erschrockenen Blicke der Eltern, die das nicht fassen können. Ihr Sohn? Der künftige Retter?

 

Noch ein alter Mensch kommt ins Weihnachtsbild. (Lk 2,36-38)

Hanna - Ein erfülltes Leben hat sie nicht gehabt, wie sie damals für Frauen vorgesehen waren, keine Kinder, keine Enkel, niemand, der für sie sorgt. Sie lebt von dem, was ihr im Tempel gegeben wird.

 

Prophetin wird sie respektvoll genannt, eine Botin Gottes. Die Menschen hören auf sie.

 

Auch Hannah wartet. Und dann erfüllt sie ihre Aufgabe und tut, was der alte Simeon nicht mehr schafft. Sie sorgt dafür, dass die Nachricht von dem Kind und der Hoffnung unter die Leute kommt. Sie, die Prophetin, predigt den Menschen mit Vollmacht.

 

Liebe Gemeinde, Weihnachten ist vorbei. Und dennoch möchte ich gern bei der Krippe verweilen. Die Hirten, die Tiere, die Könige, Maria und Josef, dazu das Kind in der Krippe, der Stall.

 

Ein Bild mit seiner eigenen Botschaft, die mir wichtig ist. Doch auch dieses andere Bild ist mir wichtig geworden beim Nachdenken über die Geschichte von Simeon und Hannah.

 

Diese vier Menschen im Tempel, wo ein Kommen und Gehen herrscht. Alltag. Keiner der vier ist besonders wichtig. Maria, Josef, Simeon und Hannah. Niemand achtet groß auf sie.

 

Und auch wenn die Bibel an vielen Stellen die Weisheit des Alters preist, so ist das Bild auf alte Menschen damals wie heute leider oft so: Die haben ihre Geschichte hinter sich. Die brauchen meist nur noch Hilfe und Unterstützung, die geben kaum noch etwas. Kaum einer rechnet da noch mit einem Neuanfang oder dass sie dazu maßgeblich beitragen können.

 

Dieses Bild vom Alt werden korrigiert Gott. Lasst euch nicht klein machen, mahnt er.

 

Euer Leben steht im großen Horizont der Geschichte der Welt. Gebt euch nicht zufrieden, mit dem was ist, mit dem, was ihr habt. Wartet, wartet auf mehr. Lasst eure Erwartungen nicht begrenzen, nicht von dem Bild, das die Menschen sich von euch machen, nicht von der Rolle, die man euch zuspricht, auch nicht von dem Alltag, der die Hoffnung begrenzt.

 

Weihnachten - Ein Fest des Wartens und der korrigierten Erwartung.

 

Vielleicht passen in unsere in der Phantasie aufgebaute Kulisse im Tempel noch mehr Leute hinein:

Menschen des Alltags, die predigen, Müllleute und Lehrerinnen, Verkäuferinnen und Busfahrer, Beamte und Fabrikarbeiter, Menschen der verschiedenen Erdteile, Menschen jedweder Hautfarbe, Arme und die Reiche dazu, Mütter und Väter, und Simeon und Hannah als Vertreter der Menschen, die wir uns angewöhnt haben „Senioren“ zu nennen, alle mit strahlenden, klaren Augen, weil sie einen Lichtstreif am Horizont sehen, alle mit aufrechter Haltung, weil sie wissen, wie wichtig sie sind, jeder und jede einzelne. Der Himmel öffnet sich, weil diese Menschen sich zutrauen zu sehen, weil sie anfangen zu hoffen, weil sie etwas erwarten und weil sie bereit sind, ihr Leben nach dieser Hoffnung auszurichten und mit kleinen Gestenselbst auf die bessere Zukunft hinwirken.

 

Was erwartet Ihr? Für euch und für die Welt?

 

Auf jeden Fall: Werdet zu Botinnen und Boten des Friedens Gottes, wie Hannah!

 

Weckt Erwartungen! Bestärkt die, die auf mehr warten, als auf den Schulabschluss, das Gehalt, die Rente, den Abend eines Tages oder eines Lebens. Weckt Erwartungen auf den Frieden auf Erden, damit Weihnachten werde auf der ganzen Welt. Wann? Zu unseren Lebzeiten.

 

Das erwarten wir, Gott. Hörst du?


Amen.


 

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