( Predigt Jeremia 29, 1.4-7.10-14 ) [ English Sermon ] [ Abkündigungen240.25 KB ]
Wann ist das endlich vorbei? Wann kann ich wieder normal leben? Wann ist endlich wieder alles so wie früher? Wann ist wieder alles gut? Gerade jetzt höre ich diese Fragen. In mir drin. Ganz leise. Und laut ausgesprochen. In Krisenzeiten ist das so.
Das haben die Israeliten sich in der tiefsten Krise ihres Volkes auch gefragt. Die war im 6. Jahrhundert vor Christus. Babylonische Truppen hatten die Israeliten geschlagen und Jerusalem erobert. Und der babylonische König Nebukadnezar wusste, wie er der feindlichen Stadt am meisten schaden konnte. Er deportierte die Oberschicht. Menschen mit
Wissen und Können siedelte er in Babylon an.
Der König ist großzügig zu ihnen. Und so schlecht ist es in Babylon eigentlich gar nicht. Aber die Israeliten sitzen ‚by the rivers of Babylon’ und jammern über ihr Schicksal. Sie sehnen sich zurück in die guten alten Zeiten. Bald wird alles gut werden, bald wird man wieder in Jerusalem sein. Bald wird alles wie früher. Das behaupten auch ihre Propheten.
So, wie wir uns in den Krisen unseres Lebens ja auch gerne vertrösten lassen: Das wird schon wieder.
In dieser Situation erreicht die Israeliten nun ein Brief des Propheten Jeremia, der in Jerusalem zurückgeblieben ist. Und der Predigttext für heute erzählt uns, was er seinen Landsleuten im Auftrag Gottes sagt:
TEXTLESUNG
Jeremia sagt, wie es ist. Er mutet den Menschen in der Fremde einiges zu. Er prophezeit ihnen: so bald kommt ihr nicht zurück. 70 Jahre wird das Exil mindestens noch dauern.
Erst Eure Enkel werden es erleben. Ihr nicht mehr.
Harte Worte:
Mit dieser Krankheit musst du leben.
Ich liebe dich nicht mehr.
Deine Trauer wird dich dein Leben lang begleiten.
Arbeit wirst du hier nicht mehr finden.
Wir wollen dich hier nicht mehr sehen.
Es ist Zeit, die Realität zu akzeptieren.
Bei diesem Rat aber bleibt Jeremia nicht stehen. Er beantwortet den Menschen, die weit weg der Heimat sind, zunächst einmal ihre wohl wichtigste Frage:
Die Frage danach, wo Gott denn eigentlich ist, jetzt, wo es ihnen schlecht geht und sie sich fremd fühlen. Jetzt, wo all das, worauf sie sich bisher verlassen haben, nicht mehr da ist und nicht mehr gilt.
Jeremia sagt: Gott ist auch jetzt da.
Wir haben diesen Satz schon oft gehört und können vielleicht auch darauf vertrauen. Für die weggeführten Israeliten war er neu und unglaublich.
Gott war im Tempel, in Jerusalem, in ihrem Land. Ohne das alles war Gott nicht denkbar. Und darum war nicht nur der Tempel, sondern auch ihr Glaube zerstört. Seht her, hatten die Babylonier triumphiert: Euer Gott ist besiegt, den könnt ihr vergessen.
Jeremia sagt hingegen: Gott ist da, auch in der Fremde. Sucht ihn, überall, wo ihr seid! Er wird sich finden lassen! Er ist nicht gebunden, weder an einen Ort noch an eine bestimmte Form, nicht mal an eine Kirche. Er ist bei euch.
Gott selbst sagt das seinen Menschen durch seinen Propheten. Er sagt es denen, die meinen, Gott habe sie verlassen. Richtet euch ein an dem Ort, an dem ihr jetzt seid, rät Jeremia ihnen deshalb. Lebt in der Gegenwart.
Natürlich kann man sich einreden, dass früher alles besser war oder dass irgendwann in der Zukunft alles besser werden wird. Aber das hilft einem ja in der Situation nicht wirklich weiter.
Lebt da richtig und bewusst, wo ihr seid, sagt Jeremia, aber verliert das Ziel nicht aus den Augen. Ihr alle habt noch eine andere Bestimmung, eine größere Hoffnung als zu bauen, zu pflanzen und euren Alltag zu gestalten. Eine Bestimmung, die Gott euch gibt. Bewahrt euch die Sehnsucht danach!
Mehr als 2500 Jahre liegt das alles zurück, und doch können wir die Situation der Israeliten im Exil und unsere Situation als Christen im 21. Jahrhundert gut miteinander vergleichen.
Auch wir leben mitten in dieser Welt, und wir sollen in dieser Welt leben. Wir richten uns ein, gründen Familien, leben unser Leben. Aber wir wissen auch, dass dieses Leben vergänglich und längst nicht alles ist. Wir vertrauen darauf, dass Gott uns und alles letztendlich zu einem guten Ende führt. Und in diesem Vertrauen können und sollen wir unsere Verantwortung für diese Welt wahrnehmen.
Suchet der Stadt Bestes“, sagt Jeremia dann auch. Denn wenn es dem Ort, an dem ihr lebt, gut geht, geht es auch euch gut.
„Kümmert euch um den Frieden der Stadt“. Und Frieden meint: soziale Gerechtigkeit und Frieden für alle und Gott mittendrin.
Ich gebe euch Zukunft und Hoffnung, lässt Gott auch uns durch Jeremia heute Morgen sagen, wenn auch nach meiner Zeitrechnung und nach meinen Maßstäben. Also kein vertröstendes: Kopf hoch! Das wird schon wieder! Sondern die Zusage: Am Ende wird es gut. Auch wenn diese Hoffnung einen langen Atem braucht.
Denn ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, spricht der HERR: Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe Zukunft und Hoffnung.
Einer der schönsten Verse der Bibel. Er erzählt von Gottes guten Gedanken und seinen Verheißungen.
Amen