2020-11-22 - Letzter Sonntag im Kirchenjahr - Pfarrerin Nicole Otte-Kempf

( Predigt Offenbarung Johannes 21,1-7 ) [ English Sermon ] [ Abkündigungen369.93 KB ]


Wo wohnt Gott eigentlich? 

Liebe Gemeinde, Kinder fragen so.

Aber auch als Erwachsene fällt es gar nicht leicht, mir Gott ohne irgendeine Art von Haus zu denken. Ich glaube nämlich, es gibt sehr wohl Orte, an denen Gott uns näher kommt, erreichbarer als an anderen.

Ein Freund von mir, von ihm habe ich es auch übernommen, immer wenn er eine Kirche betritt, setzt er sich andächtig in die Reihe und nach einiger Zeit sagt er dann entweder: er ist da oder er ist nicht da. Und mit "Er" meint er Gott.

Wenn z.B. wenn ein gotischer Dom seine große Stille um mich breitet – dann kann ich Gottes Nähe leichter spüren, als im Gewühl eines Supermarkts oder in der gewohnten Alltäglichkeit meiner eigenen vier Wände.

Wenn der Predigttext heute also vom neuen Jerusalem spricht, einer Stadt, die aus dem Himmel schwebend zu uns kommt wie eine geschmückte Braut, rein und unberührt – dann habe ich Bilder im Kopf, die wenig mit meinem Alltag oder mit dem Alltag in Jerusalem zu tun haben. Da denke ich dann doch eher an eine altehrwürdige, schöne Kathedrale.

Dazu klingen noch die zwölf Perlentore aus dem Wochenlied nach, das wir gerade gesungen haben: der Freudensaal, die Engelsgesänge und Gott, der alles überthront. Ein Bild himmlischer Freude, ein Ort, nicht von dieser Welt.

Aber mitten in dieser Pracht zeigt uns der Predigttext dann so etwas wie einen Fremdkörper. Da ist von einer Hütte die Rede: recht provisorisch scheint diese Unterkunft aus Planen und Stangen, Matten, Kissen, Seilen und Schnüren.

Und so sehe ich das neue Jerusalem vor mir, diese großartige, schöne Stadt, in deren Zentrum .... eine Hütte steht. Und diese ist die Mitte und das Herz des Ganzen.

Denn dort lebt Gott. Ohne Tore, mitten unter den Menschen. Wer traurig ist, kann zu ihm kommen und bei ihm Zuflucht suchen, und Gott wird seine Tränen abwischen, so verspricht es der Text.

Wie ein Kind zu seiner Mutter läuft, weil es hofft, dass bei ihr Tränen, Schmerzen, Leid und Geschrei ein Ende finden, so dürfen sich die Menschen zu Gott flüchten. Denn sie sind seine Kinder.

Dann stellt sich doch diese Kinderfrage von vorhin sofort auch mir: Wo wohnt Gott eigentlich? Wo steht denn diese Hütte?

Wo bekommen wir Trost, wenn der Tod uns Menschen nimmt, an denen unsere Herzen hängen? Müssen wir warten, bis die erste Erde, der erste Himmel und das Meer vergangen sind? Dürfen wir nur für unsere Verstorbenen hoffen, die diese Welt verlassen und überwunden haben, dass sie nun in Gottes Nähe sind, während wir uns hier selbst überlassen bleiben?

Oft hören wir den heutigen Predigttext ja bei Beerdigungen als Worte, die eine jenseitige Zukunft verheißen.

Der Text meint aber noch mehr: Gott ist nicht nur dort zu finden, jenseits, in einer anderen Zeit.

Die Hoffnung auf eine Zukunft hat mit der Vergangenheit und der Gegenwart ganz viel zu tun.

Wo wohnt Gott eigentlich?

Wenn wir nächste Woche am Adventskranz die erste Kerze anzünden, dann, weil wir uns genau daran erinnern, dass es Gott nicht genügt, am anderen Ende der Zeit und in einem anderen Bereich der Welt auf uns zu warten. Sondern dass Gott sich zu uns aufgemacht hat und mitten unter uns gewohnt hat, als Mensch unter Menschen.

Er ist zu uns gekommen, um uns zu trösten. In einem Stall, einer Hütte ist er zur Welt gekommen.

Die Krippe ist das Zentrum des neuen Jerusalem.

Jesus hat die Nähe Gottes zu den Menschen in einem menschlichen Leben spürbar werden lassen. Er hat uns Menschen gezeigt, wie es aussieht, wenn Gott bei ihnen wohnt, wenn er die Mitte bildet und das Herz des ganzen Lebens.

Das kann so aussehen, dass man versucht zu leben - trotz allem, was man verloren hat oder vielleicht gerade deshalb, weil man spürt: das Leben ist kostbar und der Tod kann von einem Augenblick zum Anderen das ganze Leben verändern.

Keine Frage: es gibt Zeiten und Orte, da scheint Gott nicht bei uns Menschen zu wohnen.

Aber Gott verschwindet nicht aus dieser Welt. Ich kann ihn vielleicht nicht spüren, ich kann ihn nicht sehen und ich kann auch oft nicht verstehen.

Er ist Gott, verborgen, mehr, als alles, was ich mir jemals vorstellen könnte, aber er ist da.

Da - für uns, da - für die Welt. Uns ganz zugewandt in seiner Liebe. Er lebt in Beziehung zu uns. Er hält es aus, wenn wir uns mit unseren Zweifeln und Klagen an ihn wenden, wenn wir mit ihm hadern. Er ist Gott - er kann warten und er wartet auf uns.

In dieser Zeit. In diesem Leben. Aber er lässt sich von uns nicht greifen, nicht in ein vorgefertigtes Bild pressen.

Manchmal ist es nicht leicht, an diesem Bild der Hütte festzuhalten. An diesem armen Zuhause Gottes. Da hätte man lieber einen Palast statt einer Hütte, starke Mauern, feste Türen, Türme mit Zinnen.

Etwas Bleibendes, das sich nicht verändert.

Aber genau darauf hoffen wir ja: dass sich etwas ändert. Dass die Dinge nicht so bleiben, wie sie sind, sondern neu werden. Besser.

Veränderung lässt sich nicht fest zementieren, sie muss gelebt werden.

Das neue Jerusalem findet sich nicht dort, wo die Straßen breit sind und die Häuser hoch, sondern da, wo Gott bei den Menschen einzieht und einen Platz bekommt.

Wo wohnt Gott eigentlich?

Wenn wir heute hierhergekommen sind, um Gottes Nähe zu suchen, dann nicht nur, weil dieses Haus ein Gotteshaus ist, in dem es uns vielleicht leichter fällt, Gottes Nähe zu spüren, sondern auch, weil er in dieser Gemeinschaft erlebbar wird. In einer Gemeinschaft mit den Menschen, die unsere Trauer teilen – und unsere Hoffnung. Wir beten miteinander und füreinander, singen zusammen, schweigen gemeinsam und sprechen uns Worte der Hoffnung zu. So baut Gott sein Haus unter uns.

In dieser Hoffnung dürfen wir gemeinsam beten und feiern. In dieser Hoffnung dürfen wir leben. Und in dieser Hoffnung dürfen wir unserer Verstorbenen gedenken.

Denn wer überwindet, der wird alles ererben, und ich werde sein Gott sein und er wird mein Kind sein. Amen


Amen


 

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