( Predigt Jakobus 5,7-11 ) [ English Sermon ] [ Abkündigungen386.88 KB ]
„Jeder Mensch sollte die Welt mit seinem Leben ein ganz klein wenig besser machen.“ Jedes Jahr zu Weihnachten erinnert mich der Klassikerfilm „Der Kleine Lord“ daran: dass jeder mit seinem Leben einen Unterschied machen sollte, weil am Ende es nicht egal ist, ob ich gelebt habe oder nicht. Das muss nichts Großes sein, schon eine kleine Veränderung für einen anderen Menschen reicht da ja aus. Spuren der Liebe möchte ich gern hinterlassen. Was mir bei diesem Vorhaben hilft, sind Menschen, die mir mit ihrem Leben ein Beispiel geben oder gegeben haben. Heute ist ja nicht nur der 2. Advent sondern auch Nikolaustag. Er hat im frühen 4. Jahrhundert gelebt hat. Als seine Eltern gestorben waren, erbte er viel, behielt es aber nicht allein für sich, sondern setzte es für in Not geratene Mitmenschen ein. So eroberte er sich die Herzen vieler Menschen. Man wählte ihn in der Hafenstadt Myra zum Bischof. Bescheiden und demütig nahm er die Wahl an. Die ganze Adventszeit ist eine Erinnerung an Menschen, die sich für andere eingesetzt haben, Johann Hinrich Wichern z.B., der quasi den Adventskranz erfunden hat, um Waisenkindern das lange Warten mit Licht und Hoffnung zu erfüllen. Oder die hl. Lucia, an die man sich besonders in Skandinavien erinnert oder die hl. Barbara, die beide trotz Gefahr am christlichen Glauben festhielten. All diese Zeugen des Glaubens geben mir ein Gefühl dafür, dass es eine lange Zeit vor uns gab und sie auch in den Verrücktheiten ihrer Zeit Geduld bewiesen haben und Gutes bewirken konnten. Das lässt mich hoffen für die Gegenwart und Zukunft.
Wir erinnern uns heute noch an sie. Ob man sich in vielen Hundert Jahren noch an uns erinnert? …Aber darum geht es ja nicht. Einen Unterschied machen im Hier und Jetzt, darum geht es. Und darum geht es auch dem Verfasser des Jakobusbriefes. Ich lese aus Jak 5, 7-11
Liebe Gemeinde, die diese Zeilen Ende des 1. Jahrhunderts bekommen haben, sind überwiegend Judenchristen, die zerstreut und in der Minderheit leben und die deshalb auch unter Verfolgungen zu leiden haben.
Sie fragen in ihrem Leidensdruck: wann kommt Jesus wieder? Die ständigen Verzögerungen zehren an den Nerven der Menschen. Zu Recht. Wir kennen das: die Frage, die uns in diesem Jahr am meisten unter den Nägeln brennt und die wir vermutlich auch mit nach 2021 nehmen werden, ist wohl die Frage: wann ist die Coronakrise vorbei? Wenn der Impfstoff da ist? Oder müssen wir damit leben lernen?
Was wir mit den Menschen damals gemeinsam haben ist das Warten in einer bedrängenden Zeit. Die Sehnsucht nach einer Veränderung ist auch heute groß. Der Schreiber im Jakobusbrief empfiehlt den Adressaten: seid geduldig und stärkt eure Herzen.
„Der Bauer wartet auf die kostbare Frucht der Erde und ist dabei geduldig, bis sie empfange den Frühregen und Spätregen.“
Schon Jesus hat in seinen Gleichnissen immer wieder Bilder aus der Landwirtschaft gebraucht, weil sie für viele vertraut gewesen sind.
Gerade in der Landwirtschaft wird deutlich, dass einerseits Gestaltungsfreiheit, andererseits Abhängigkeit miteinander in Balance sein müssen.
Es ist schwer, geduldig zu sein. Wer wartet schon gern. Das beste aus der Lage zu machen, die man selbst nicht ändern kann, ist oft eine Herausforderung. Geduld ist auch da gefragt, wo Präzision erforderlich ist, bei allem, was wir handwerklich gestalten. Und die Adressaten betrifft das in beiderlei Hinsicht: sie sollen ihr Leben kreativ gestalten in der Erwartung der nahenden Wiederkunft Christi und sie sollen ein ethisch möglichst meisterliches Leben anstreben und richtig handeln.
Zu entscheiden, was richtig ist, fordert uns immer wieder heraus. Auch da ist Geduld oftmals gefragt. Manchmal gelingt das nur im Team und bis man sich eine Meinung gebildet hat und abgestimmt hat, das kann dauern.
… 9 Seufzt nicht widereinander, damit ihr nicht gerichtet werdet. Siehe, der Richter steht vor der Tür.
Nicht widereinander seufzen… und sich überlegen, was man wie zu wem oder über wen sagt. Wie schnell hat man ein Wort zu viel gesagt oder das Falsche. Gerade diese herausfordernde Zeit sind unsere Beziehungen das, was uns Halt gibt, aber was eben auch gefährdet ist.
Beziehungen zueinander zu gestalten, miteinander im Gespräch sein, das ist immer und besonders jetzt eine wichtige Alltagslebenskunst. Genau hier kommt der Unterschied zum Tragen, von dem ich eingangs gesprochen habe. Nämlich darin, wie wir unser Miteinander gestalten im Alltag, an Sonn- und Feiertagen. Seid geduldig und stärkt euch (auch gegenseitig) eure Herzen, denn das Kommen des Herrn ist nahe.
Der den Jakobusbrief geschrieben hat, meinte, dass der auferstandene Christus wieder kommt und damit die Welt endet, wie wir sie kennen.
Dieses Ende kam so nicht. Die ersten Christen starben und die Welt ging weiter. Die nächste Generation verabschiedete sich und die Welt ging weiter. So geschah es bis heute, durch Jahrhunderte, von denen nicht eines ohne Schrecken und Nöten war. Was als sagt uns heute „das Kommen des Herrn ist nahe“? Dass sie damals falsche Hoffnungen hatten? Dass Jesus nicht wiedergekommen ist und wir uns deshalb einrichten müssen in unserem Traum vom Heil als schmerzstillender Salbe? Vielleicht geht es einem manchmal so, auch der Glaube kann depressiv werden, von Skepsis und Zweifel ganz abgesehen. Das sollten wir uns dann auch eingestehen. Krisen muss man annehmen, um sie überwinden zu können zu neuem Leben, neuer Hoffnung.
Wenn ich mich selbst nicht verstehe, mit Gott im Zweifeln und Hadern bin, kann ich mich aber ins große Ganze stellen, mich einreihen in die Glaubensgeschichte der Christen und mir neuen Trost zusprechen lassen von Menschen, die mir vorausgegangen sind oder heute an meiner Seite stehen. Die einen Unterschied für mein Leben machen.
Und wenn ich dann mitsinge „O Heiland reiß die Himmel auf“ und „auch wer zur Nacht geweinet, der stimme froh mit ein. Der Morgenstern bescheinet auch deine Angst und Pein…“
Könnte es nicht sein, dass der Herr dann gerade zu mir kommt und im Herzen ganz bei mir ist? Ich bin mir sicher, dass es vielen vor uns genauso ergangen ist. Dass ihr Warten ein Ende hatte und sie plötzlich erkannten allen Verrücktheiten der Welt zum Trotz: alles wird gut „denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich“?
Advent und Weihnachten, auch dieses Jahr, vielleicht gerade dieses Jahr das Erkennen: ich darf nach vorne schauen. Da bist du ja. Du kommst zu mir. Diese Gewissheit brauche ich für mein Leben und sie stärkt mich. Damit auch ich andere stärken kann.
Amen