2020-12-24 - Christvesper - Pfarrerin Nicole Otte-Kempf

( Predigt Jesaja 11, 1-10) [ English Translation ] [ Abkündigungen824.91 KB ]


Jedes Jahr in der Advents- und Weihnachtszeit steht sie meist einfach vor der Tür. Sie klingelt dann laut und lang, ob es mir gerade passt oder nicht. 

Sie drängt sich durch die Tür und kommt in unser Haus. 

Setzt sich zu mir auf das Sofa. Wir schauen zusammen in die Kerzen vom Adventskranz oder auf den geschmückten Tannenbaum, ohne Abstand und Maske, auch in diesem Jahr nicht. Sie singt bei den Weihnachtsliedern verträumt mit. Sie will mich dann in den Arm nehmen, aber das möchte ich doch nicht immer. Es tut immer auch ein bisschen weh, sie zu umarmen. Manchmal werde ich traurig und ich könnte weinen. 

Sie ist die Sehnsucht. 

Sie kommt immer mal wieder, auch unterm Jahr. Aber jedes Jahr, 

spätestens an Weihnachten schneit sie unangemeldet herein. 

Es ist doch ihr Fest! sagt sie. 

Und ich weiß, dass das stimmt. 

Wenn sie bei mir sitzt, kann ich mich an frühere Weihnachtsfeiern erinnern. 

Ich sehe die Kerzen, die Lichter am Baum und die Dunkelheit vor dem Tor, 

denke an die Menschen da draußen, und spüre meinen ohnmächtigen Wunsch nach Frieden, dass die Schreckens-Nachrichten dieser Welt verstummen, dass gesungen wird und geliebt, vergeben und gelacht. 

Nicht nur bei mir. Bei den anderen auch. 

Und in aller Welt. 

Vielleicht kommt sie euch auch jedes Jahr an Weihnachten besuchen und setzt sich zu Euch auf das Sofa. Es ist ja ihr Fest, sagt sie. und dann erzählt die Sehnsucht von einer geheilten Welt von Heimat und den Menschen, denen ihr jetzt so gerne nahe wärt. 

Sie besucht an Weihnachten immer viele Menschen. Und besonders in diesem Jahr. Sie sitzt in der Kirche oder bei Euch auf dem Sofa  wenn wir die Geschichte von Maria und Josef, von Engeln und Hirten hören, und erzählt, wie die Liebe stärker ist als der Hass, wie das Kleine und Zerbrechliche Bedeutung hat  und nicht Macht, Reichtum und Gewalt alles bestimmen,  wie Menschen zusammenfinden, mit Hoffnung für morgen und überhaupt: Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen! 

Und von Gott erzählt sie auch. Wie Gott eingreift und rettet und alles gut wird. Und dabei rührt sie etwas in uns an und weckt tief in uns etwas auf. 

Einen Schmerz über das, was ist. Aber auch eine Hoffnung und eine Ahnung, wie es sein könnte. Sie bleibt manchmal lange sitzen, die Sehnsucht. 

Auch Jesaja hat sie besucht. Und er hat sie im Arm gehalten und geweint auf einem Sofa aus Trümmern, aus Krieg und Leid, hunderte Jahre vor der Geburt Christi. Und in Jesaja formten sich Worte, sehnsuchtsvolle Worte, Worte vom Frieden in aller Welt, zwischen den Tieren, zwischen den Völkern und mit Gott und von einem, der diesen Frieden bringen wird. 

Etwas neues wird kommen, erzählt die Sehnsucht Jesaja auf den Trümmern, und sie redet von Gott, der eingreift und rettet. 

Jesaja hat gespürt: Die Sehnsucht erzählt von Gott. 

Sie ist Gottes Sehnsucht. Gottes Sehnsucht, die die Welt füllt, wie Wasser das Meer bedeckt. 

Gott im Himmel hat Sehnsucht. Gott ist Sehnsucht. 

Und damals in Bethlehem war sie auch zu Besuch. 

Sie kam mit den Engeln vom Himmel geflogen, 

und berührte die Herzen der Hirten auf dem Feld 

holte die Weisen aus dem Morgenland, 

lag in der Krippe und strampelte mit Armen und Beinen, 

sich ausstreckend nach Liebe und Nähe. 

Klein und zerbrechlich und doch groß und größer als alles. 

Gottes Sehnsucht ist der Mensch. 

Dieser Mensch. Jesus. 

Jedes Jahr an Weihnachten kommt sie zu mir. 

Gottes Sehnsucht. Manchmal drängt sie sich einfach durch die Tür 

und setzt sich zu mir aufs Sofa. Und wenn sie mich in den Arm nimmt, 

spüre ich Schmerz, aber noch viel mehr. 

Es fühlt sich an wie Heimat, die ich einmal finden werde. 

Und ich spüre Hoffnung und Nähe, 

wie das Kleine und Zerbrechliche wichtig wird, 

und die Liebe stärker ist als der Hass. 

Ich habe eine Ahnung von Frieden und Gerechtigkeit 

und Gott, der rettet. 

Sie kommt auch Euch jedes Jahr besuchen. 

Auch dieses Jahr, wenn wir Weihnachten vielleicht anders feiern als sonst 

und manche von Euch vielleicht alleine auf dem Sofa sitzen. 

Dann kommt die Sehnsucht zu Euch, 

Gottes Sehnsucht, 

und setzt sich zu Dir, nimmt dich in den Arm 

und erzählt dir von Wölfen, die bei den Lämmern wohnen 

und Kindern, die an Schlangenhöhlen spielen, 

von Neuem, das wachsen wird 

und Frieden auf Erden, 

und von dem einen, der da ist. 

Es ist ihr Fest, sagt sie. Die Sehnsucht. 

und dann bleibt sie sitzen. 

denn: Gottes Sehnsucht ist der Mensch. 

Gottes Sehnsucht bist du.


Amen


 

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