( Lk 1,26–38(39–56) ) - [ English ] - [ Akündigungen426.05 KB ]
Die Gnade unsere Herrn Jesus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.
Am Sonntag vor Weihnachten habe ich das Gefühl eines Erstklässlers beim Öffnen einer Zuckertüte. Erwartung, Freude und Hoffnung erfüllen mich. Erwartung, weil ich vermute, dass viel Gutes in der Zuckertüte auf mich wartet, Freude, weil ich weiß, dass der Inhalt für mich persöhnlich bestimmt ist, und Hoffnung, weil ich mir erhoffe, dass der Inhalt auch wirklich das ist, was brauche, um meine Schulzeit/mein Leben auch zu gut meistern.
Auch unser Gottesdienst beinhaltet diese Gefühle. Der wunderschöne grüngebundene Adventskranz mit seinem Lichterglanz und der roten Schleife erweckt die freudige Erwartung auf das Kommen Jesu. In der Epistel wird uns die Freude vermittelt, die Voraussicht auf Frieden durch die Ankunft unseres Herrn, und im Evangelium wird die hoffnungsvolle Botschaft der Geburt Jesu angekündigt, Jesus, der die Welt verändern soll. Was will ich mehr? Meine Zuckertüte, meine Glaubenstüte für den Rest meines Lebens ist bis zum Rande gefüllt mit Gutem. Da könnte ich die Predigt schon beenden, denn wir haben genug Gutes, das uns in die kommende Zeit begleiten kann, und von dem wir zehren können.
Aber wie halte ich diese Freude, diese Erwartung und Hoffnung in meinen Alltag fest? Wie erinnere ich mich immer wieder daran was das Kommen Jesu für mich und für die Welt bedeutet? Sind es denn nicht nur die Großen, die Mächtigen der Welt die das Leben wirklich meistern. Was habe ich kleiner unscheinbarer Mensch denn zu sagen? In unserem Predigttext, den wir schon als Evangelium gehört haben, gibt es eine Person, die uns helfen kann, unseren Blick zu weiten. Maria, die Mutter Jesu.
Die Geschichte der heutigen Predigt ist uns gut bekannt. Der Engel Gabriel (der übrigens als nur einer von zwei Engeln in der Bibel bei Namen genannt wird, und daher ein ganz besonderer Engel ist) sucht Maria auf, um ihr die „Frohe Botschaft“ zu überbringen – sie soll ein Kind zur Welt bringen und zwar nicht irgendein Kind, sondern den Erlöser, den Heiland, auf den alle schon so lange warteten. Eine wunderbare „Frohe Botschaft“, würden wir meinen.
Oder vielleicht nicht? Versetzen wir uns einmal in Marias Lage. Ein einfaches, unverheiratetes Mädchen, aus Handwerkerkreisen, aus Galiläa, eine Gegend sozusagen am Ende der Welt. Rundum unscheinbare Umstände in denen wohl kaum der Heiland zur Welt kommen würde. Oder vielleicht doch? Gerade wegen der Unscheinbarkeit? Sollte tatsächlich ein unscheinbares Mädchen, mit einer unscheinbaren Herkunft, aus einem unscheinbaren Dorf das größte Weltgeschehen aller Zeiten möglich machen?
Nocheinmal die Frage: War die Ankündigung auf Jesu Geburt wirklich eine Frohe Botschaft für sie? Ich glaube eher nicht – wenn ich in ihren Schuhen geständen hätte, wären Entsetzen, Verwirrung, Angst oder gar Panik die erste Reaktion gewesen? Ich versuche mir vorzustellen was sie gedacht und erwiedert hätte: „Wie bitte? Ich soll den Heiland zur Welt bringen? Wie soll das denn geschehen? Das geht doch gar nicht, ich bin doch mit Josef verlobt? Er wird mich doch nie heiraten wenn ich plötzlich ein Kind bekomme? Nein, es war keine Frohe Botschaft für Maria.
Im Gegenteil, mit dieser Botschaft lag gerade ihre ganze Lebensplanung als sprichwörtlicher Trümmerhaufen vor ihr.
Und jetzt kommt das unglaubliche! Maria überrascht uns mit einer fast unmittelbaren Veränderung ihrer fragenden Haltung. Nur für kurze Zeit sind Zweifel und Angst Herr über diese bemerkenswerte junge Frau. Aber schon kurz danach verwandeln sich diese Fragen in die wohl kennzeichnendste Antwort aller Zeiten: „Siehe, ich bin des Herrn Magd; mir geschehe, wie du gesagt hast.“ Maria erkennt Gottes Geschenk an sie und die ganze Welt und nimmt es an. Und damit dient sie der Welt nicht nur als Mutter unseres Heilands, sondern als Vorbild: als Sinnbild für Dankbarkeit, Demut, Vertrauen, Hoffnung und Stärke,
Marias lebensbejahende Haltung ist eine Inspirationsquelle für uns alle. Sie stellt ihre eigenen Bedürfnisse und Interessen in den Hintergrund und öffnet sich für die Verantwortung, die Gott uns anvertraut. Wäre das nicht ein Gedanke, eine Aufgabe und ein Ziel, dass sich jeder von uns nochmal durch den Kopf gehen lassen sollte? Maria hat Jesus das Leben geschenkt, auch wenn es gegen ihre Vorstellungen ihres Lebens ging, damit wir alle beschenkt werden konnten, weil Jesus für uns alle in die Welt gekommen ist. Ein Licht für dich und mich, ein Licht für alle Menschen.
Dieser Sinneswandel in Maria heißt aber nicht, dass sie übermenschlich wurde, nein auch sie wurde kurz nachher wieder von Zweifeln geplagt, eine absolut menschliche Eigenschaft, die wir alle kennen.
Sie eilt zu Elizabeth, ihrer Verwandten um sich zu vergewissern, ob die Verheißung des Engels, dass auch Elizabeth ein Kind gebären sollte, wirklich stimmte. Wie groß ist die Erleichterung, als sie genau das vorfindet, was der Engel ihr gesagt hatte. Elizabeth, ...schwanger, ...im 6.Monat. Und an dieser Stelle füllt sich meine Zuckertüte, meine Glaubenstüte mit all den kleinen unscheinbaren Geschenken, die ich fürs Leben brauche, denn an dieser Stelle stimmt Maria einen Lobpreis an, der davon singt, dass auch ich, so klein und unscheinbar ich mich manchmal fühle, dass auch ich eine Stimme bei Gott habe, dass auch Gott mich mit seiner Gnade beschenkt. Das Gottes Ankunft auch und vor allem mir gilt. Für jeden einzelnen kommt er auf die Welt. In welcher Situation ich mich auch befinde, Christus ist bei mir. Diese Gewissheit kann ich in meinen Alltag mitnehmen und mich immer darauf verlassen..
Maria singt. Im Singen lobt sie Gott. Im Loben bestätigt sie das Geschenk Jesu und in der Bestätigung glaubt sie an die Erfüllung der Verheißung.
Maria, das unscheinbare Mädchen aus Galiläa, singt mit der Stimme der Unscheinbaren. Mit der Stimme derer, die nicht mehr gesehen oder wahrgenommen werden – Sie singt mit der Stimme der Alten die mit ihrer viel zu kleinen Rente auskommen müssen, mit der Stimme der Menschen aus sozial schwierigen Verhältnissen, die verzweifelt versuchen in die Gesellschaft eingeschlossen zu werden. Maria singt mit der Stimme der Arbeitslosen, die bei der Arbeitssuche immer wieder mutlos werden, mit der Stimme der Bettler die nicht wissen ob morgen etwas zu essen für sie da ist, mit der Stimme der Kleinunternehmer, die in dieser schwierigen wirtschaftlichen Lage keine Zukunft für ihr Geschäft sehen. Sie singt mit der Stimme der ärzte und Krankenpfleger, die immer noch verzweifelt versuchen Menschen vom Virus zu retten und sie singt mit der Stimme der Lehrer und Eltern, die trotz allen unmöglichen Umständen, junge Menschen auf das Leben vorbereiten müssen.
Maria singt mit der Stimme der Steuerzahler, die ihre Regierung mahnen, verantwortlich und einfühlsam zu regieren, Sie singt mit der Stimme der Kirche, die versucht Frieden zwischen Kulturen zu vermitteln.
Sie singt mit der Stimme derer, die Identitätskrisen haben und nicht wissen wer sie sind, mit der Stimme derer, die hoffnungslos und ziellos sind, die keine Zukunft und keine Perspektive haben, die verzeifelt und einsam, ängstlich und missmutig in jeden Tag schauen und sie singt mit der Stimme jener, die gehört werden möchten, aber nicht wissen wie.
Durch die Geburt Jesu, gibt Gott denen eine Stimme, die sonst keiner mehr hört, sieht oder ernst nimmt. Gott lässt Maria singen gegen alle Regeln der Welt, denn bei Gott ist nichts unmöglich.
Maria singt. Ich höre ihr Lied. Und ich stimme in ihren Gesang mit ein. Ein Lobgesang für meinen Herrn, aus Dankbarkeit, denn ich weiß, mein Herr ist für mich und für meinen Nächsten gekommen, ja für jeden der an ihn glaubt und ihm nachfolgt. Gottes Geschenk gilt für mich. Ich muss es nur annehmen. Und wenn ich es vielleicht einmal verpasst habe oder davon enttäuscht wurde, habe ich noch eine Chance, denn Gott kommt immer wieder zu mir, in seinem Wort und in den Sakramenten. Er ist nicht eine einmalige Kerze auf einem Geburtstagskuchen, nein er kommt alle Jahre wieder. Daran erinnern uns die Kerzen am Adventskranz.
Und so stimme auch ich ein in das Loblied aller Loblieder, denn mit ihm gehe ich mit meiner Zuckertüte, mit meiner Glaubenstüte in den Alltag.
Amen.