( Jesaja 40,1-11 ) - [ English ] - [ Akündigungen580.19 KB ]
Der heutige Sonntag steht ganz im Zeichen der Umkehr. Violett ist die Farbe der Paramente, der Stoffe an Altar und Kanzel. Wer ein wenig darin geübt ist, Farben in der Kunst zu entschlüsseln, weiß: Violett ist die Farbe der Buße und der Umkehr.
„Bereitet dem Herrn den Weg; denn siehe, der Herr kommt gewaltig“, ist der Wochenspruch der heute beginnenden Woche, entnommen dem Predigttext aus Jesaja 40, kombiniert aus zwei Versen dieses 40. Kapitels im Jesajabuch.
Bibeltext vorlesen: Jesaja 40,1-11
Die geschichtliche Situation, liebe Gemeinde, ist schnell erzählt. Fern der Heimat lebten aus Israel Verschleppte im babylonischen Exil. Mit Kapitel 40 dann fängt im Jesajabuch etwas Neues an. Es soll wieder heimwärts gehen! Auf die lange Zeit des Klagens und Weinens folgt neue Zukunft. Der Prophet Jesaja ist beauftragt, das den Menschen zu verkündigen. Er wählt Bilder, mit denen die Menschen etwas anfangen können: Hügel und Berge sollen abgetragen werden, Wüsten und Steppen bekommen eine Straße. Nichts mehr soll den Weg nach Hause behindern. Freie Bahn für Gott. Ihm haben es die Gefangenen zu verdanken, dass es wieder nach Hause geht. Die Nacht ist vorgedrungen, der neue Tag nicht mehr fern.
Wir singen die erste Strophe vom Lied 16:
Gemeinde singt EG 16,1 „Die Nacht ist vorgedrungen“
Heute, am 3. Advent 2022, hat der Dichter des gerade gesungenen Liedes seinen 80. Todestag: Jochen Klepper. Das gibt Anlass, seiner und seiner Lieben zu gedenken.
Jochen Klepper, seiner jüdischen Frau Hanni und ihrer Tochter drohen im Nationalsozialismus in Deutschland Verhaftung und Ermordung.
Die Familie wählt den Freitod, um sich der sicher geglaubten Verhaftung und Ermordung zu entziehen. Kurz vor dem Freitod schreibt Jochen Klepper: „Nachmittags die Verhandlung auf dem Sicherheitsdienst. Wir sterben nun, ach, auch das steht bei Gott. Wir gehen heute Nacht gemeinsam in den Tod. Über uns steht in den letzten Stunden das Bild des Segnenden Christus, der um uns ringt. In dessen Anblick endet unser Leben.“
Bereits 1937 hat Jochen Klepper sein Gedicht „Die Nacht ist vorgedrungen“ geschrieben. „Weihnachtslied“ hat er es für die erste Veröffentlichung überschrieben. Es ist reich an biblischen Anspielungen.
Der mitwandernde Stern von Betlehem weist den Weg und führt aus der Dunkelheit heraus. So gehen die Kleppers in den Tod, wissend, dort auf Gott zu treffen, der doch im Dunkeln wohnt, voller Hoffnung auf den segnenden Christus, „der um uns ringt“. Sie sterben in der Zuversicht, dass der Stern der Gotteshuld mit ihnen ist. Beglänzt von seinem Lichte, hält sie kein Dunkel mehr.
Wir singen die vierte Strophe.
Gemeinde singt EG 16,4 „Noch manche Nacht wird fallen“.
Die alten biblischen Bilder der Hoffnung sprechen zu Menschen, die sich um die Zukunft sorgen. Sie sollen neu daran erinnert werden: Wo Gott dein Wegbegleiter ist, da bist du nicht allein.
Die Israeliten haben das in ihrer langen Geschichte mit Gott immer wieder erlebt. Beim langen Weg durch die Wüste bleiben sie bewahrt. Zwischen Knechtschaft in Ägypten und dem Gelobten Land liegt die nicht enden wollende Zeit großer Herausforderungen und langer Durststrecken. Auch wenn Einzelne in dieser Zeit Gott vergessen – Gott vergisst sein Volk nicht. Zukunft und Hoffnung gibt er, wo manche nicht mehr zu hoffen wagen.
Und dann, Jahrhunderte später, die Zeit der babylonischen Gefangenschaft. Weggeführt in ein Exil finden sich die Israeliten in der Fremde vor, scheinbar gottverlassen. Bis dann dieser Prophet auftritt: „Bereitet dem Herrn den Weg. Alle Täler sollen erhöht werden, und alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden.“ (Jes 40,4)
Wieder wird es nicht „einfach so“ gut. Wieder muss zuvor ein Aufbruch gewagt werden. Und wieder liegt ein Weg durch die Wüste vor den Menschen.
Aber sie sollen davor keine Angst haben. Denn Gott wird für sein Volk sorgen. Es ist eine doppelte Heimkehrgeschichte. Die Deportierten sollen zurückkehren dürfen. Und mit ihnen kehrt Gott zurück in sein Land und in sein Haus. Er will wohnen, wo es dunkel ist, und dadurch das Dunkel erhellen.
ABER: Vor der Heimkehr liegt der Weg durch die Wüste.
Ohne Aufbrechen geht es nicht. Nach der Wüste gesehnt haben sich die Menschen noch nie. Wo aber ein Weg durch die Wüste ansteht, wäre Angst vor ihr ein schlechter Ratgeber. Und wieder, um alle Sorgen gar nicht erst aufkommen zu lassen, beginnt die Verheißung auf den guten Ausgang mit der doppelten Aufforderung „Tröstet, tröstet mein Volk“. Martin Luther hat das so aufgenommen:
Das ist eigentlich der Bischöfe und Pfarrherrn oder Prediger Amt, dass sie lehren, aufrichten und trösten sollen, dass sie den betrübten und bekümmerten Herzen den Balsam der Heiligen Schrift reichen und mitteilen sollen und zu ihnen sagen: Fürchte dich nicht.“ Das „Fürchtet euch nicht“ der Engel in der Weihnachtsnacht klingt schon an.
Tröstet, tröstet mein Volk. Das sind starke Worte für traurige Menschen. Immer wieder in meinem Leben brauche ich Trost. Nur so kann ich mein Leben bestehen. Was ist mein Trost im Leben und im Sterben?, steht als erste Frage im Heidelberger Katechismus. In klassischer Sprache heißt es dann dort: „Dass ich mit Leib und Seele im Leben und im Sterben nicht mir, sondern meinem getreuen Heiland Jesus Christus gehöre.“
Ich bin nicht allein, ich bin nicht verlassen, wenn ich verzweifelt bin. Gott kommt in die Welt und zu mir. Er stellt sich mir an die Seite, mit dem Kind in der Krippe, als der, der meine Lasten mitträgt. Er weiß, was er tut, hat selbst ein Kreuz getragen. Adventlich leben heißt: Wahrnehmen, dass ich Trost brauche, um leben zu können, Trost annehmen, andere trösten. Trösten ist nichts Harmloses, Unwichtiges, Trösten ist mehr als Worte und Gesten, sondern echte Hilfe. Trost verändert eine Situation und hilft, eine bedrückende Situation hinter mir zu lassen und mich neu fürs Leben zu öffnen.
Jeder Gottesdienst gibt Trost – mit vertrauten Klängen und Liedern, in der Gemeinschaft anderer, in einem Raum, in den Hoffnungen und Gebete anderer gleichsam eingezeichnet sind, wo ich von der Zuversicht umfangen werde: Gottes Trost kommt. Gott kommt selbst. Er wird ein Kind und Knecht und will im Dunkel wohnen. Mir zur Rettung. Bei ihm wird das Dunkle hell.
Darauf darf ich vertrauen.
Amen