( Mt 25,31-46 ) - [ English ]
Liebe Tauffamilien, liebe Gemeinde,
wir haben Liv und Noah getauft und für beide haben wir eine Taufkerze an der Osterkerze entzündet. Als Symbol dafür, dass sie das Licht symbolisch mit nach Hause tragen, das von Jesus Christus ausgeht. Das werden sie brauchen in ihrem Leben. Dafür, um selbst Licht der Welt sein zu können für andere Menschen, Tiere, die ganze Welt.
Da werden Tage kommen, an denen sie fröhlich sind und es ihnen gut geht. Da werden auch Tage kommen, wo nichts so recht klappen mag.
Und dann gibt viele Tage, die so dazwischen liegen. Bunt. Hell und dunkel. Auch mal gleichzeitig kommt das vor.
Das macht das Leben manchmal kompliziert. Wo wir doch eigentlich ganz gern trennen, die Welt einteilen in gut und böse.
Auch andere Menschen. Fromme und Sünder. Beurteilen und Verurteilen.
Warum machen wir das eigentlich? Manche brauchen das, glaube ich, um sich in der Welt zurecht zu finden und um sich selbst gut zu fühlen? Weil man selbst zu den Guten gehört. Die anderen… die gehören in die dunkle Ecke.
Und der Predigttext heute scheint beim ersten Hören genau da hinein zu passen.
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Liebe Gemeinde,
das war nun das erste Hören. Und dann höre ich, dass Jesus ja auch das Urteil spricht: Die zu seiner Rechten dahin, die zu seiner Linken dorthin.
Aber ganz so einfach ist es nicht.
Und so einfach macht es sich auch Jesus nicht. Davon bin ich überzeugt.
Jesus erzählt etwas, was so geschehen kann, aber nicht so geschehen muss. Gleichnisse sind Geschichten, die dazu da sind, etwas besonders zu beleuchten. In diesem Falle das Gericht, das Gericht Gottes über Welt und Menschen, das Jüngste, also das letzte Gericht. Und was ist das, was Jesus beleuchten möchte?
Er will uns zeigen, worum es im Gericht Gottes gehen wird. Gott, der Menschen geschaffen hat, hat ja auch das Recht, nach unserer Verantwortung in der Welt zu fragen. Und das meint Gericht. Das möchte Gott bewerten am Ende der Zeit – oder wann immer er mag. Es ist vor allem wohl eine Frage, die Gott jedem stellen wird. Die könnte heißen: Warst du gut zu deinem geringeren Nächsten?
Das ist das Maß des Gottesgerichts. Alles, was dann kommt, kann auch Jesus nicht wissen. Er vermutet, aber er weiß nicht. Wir müssen es auch nicht wissen. Es genügt, dass wir mit der Gottesfrage leben: Warst du gut zu deinem Nächsten? Die Frage will uns Licht sein auf unserem Lebensweg. Auf dem Lebensweg der beiden Täuflinge auch.
Das Gleichnis vom Weltgericht ist nicht einfach. Nicht Friede Freude.
Es erscheint endgültig. Trennend. Bewertend. Ewiges Leben oder Verdammnis, Tod oder Leben, alles oder nichts, schwarz oder weiß – keine Zwischentöne.
In der Kunstgeschichte gibt es unzählige, meist mittelalterliche Bilder, die das Weltgericht in all seinen Schrecken genüsslich ausmalen. Da kommt nicht der sanfte Jesus, sondern der Weltenrichter in all seiner Vollmacht und verbreitet Schrecken. Das Bild der Hölle macht Angst. Nicht nur heute. Schon immer.
Vielleicht tun wir uns heute noch schwerer mit endzeitlichen Bildern.
Dass die Welt irgendwann vergeht und der Menschensohn wiederkommen wird, das steht uns irgendwie vor Augen. Aber keiner rechnet doch damit, dass es zu unseren Lebzeiten stattfindet.
Wir sehen die Welt voller grausamer Dinge, wie wir die Natur ausbeuten, sehen die politische Weltlage. Was, wenn es die letzte Instanz gibt, die unser Handeln beurteilt? Wenn wir plötzlich vor unserem Richter stehen? Nackt und bloß – und es gibt nichts mehr zu verbergen und zu verschleiern? Was dann, wenn nichts mehr zu ändern ist? Es kann ein „zu spät“ geben. Davor warnt uns Jesus.
Zeigt Jesus nicht vielmehr, wie einfach es sein könnte, auf die richtige Seite zu gelangen? Und ist nicht die Aussicht, dass Jesus es sein wird, der als Weltenrichter kommt, tröstlich?
Jesus, der Menschensohn, wird am Ende der Zeit richten. Nicht wir übereinander. Jesus ist es. Der, der sich für die Sünden der Menschen hat umbringen lassen. Weil beides zusammengehört, darum hat allein Jesus die Macht, Sünden zu vergeben.
Die Geschichte vom Weltgericht nimmt nicht das Ende der Welt in den Blick, sondern beschäftigt sich mit der Zeit vor dem Ende. Auf welcher Seite stehe ich? Nirgendwo wird aufgezählt, was Menschen alles tun oder lassen sollen, um auf der richtigen Seite zu stehen. Aber den Menschen wird deutlich gemacht, wo sie Christus hätten finden können, wenn sie ein wenig aufmerksamer gewesen wären. Christus findet man bei denen, die Mangel leiden. Die am Rande der Gesellschaft stehen. Er ist der Notleidende. Wie verhältst du dich dazu? Man kann Jesus dienen, wenn man allen ein Lebensrecht gibt, anderen vergibt, akzeptiert, dass wir alle unterschiedlich sind. Und dennoch Bruder und Schwester ist.
Es heißt, dass „der Menschensohn alle Völker vor seinem Thron versammeln wird“. Alle werden kommen. Und sie werden danach gerichtet, ob sie Nächstenliebe geübt haben. Liebe Gemeinde, Nächstenliebe, die goldene Regel, wonach man andere so behandeln soll, wie man selbst behandelt werden möchte, die gibt es in allen Religionen. Und auch ein nichtreligiöser Mensch kennt die Werte der Mitmenschlichkeit. Es sind keine spektakulären Anforderungen, die Gott an uns stellt, sondern die Augen offen halten und sich von der Not anderer anrühren lassen.
Die „ewige Strafe“, die Hölle, findet sich in der Lieblosigkeit, mit der die Bedürftigkeit anderer Menschen übersehen wird. Diese Menschen mögen Gott oder Jesus noch so oft im Munde geführt haben, sie mögen ein anständiges Leben führen, aber sie merken nicht, dass ihnen Wärme, Barmherzigkeit, Menschlichkeit fehlen; deshalb „kommen“ sie nicht in die Hölle, sie „leben schon in der Hölle“, ohne es zu merken.
Das Jüngste Gericht steht für die letzte Gerechtigkeit, die beginnt, wenn der Menschensohn richtet. Er sieht liebevoll, aber genau hin. Sonst könnten am Ende die Täter über die Opfer triumphieren, Mord und Terror ungesühnt bleiben, Menschlichkeit wäre nichts wert.
Wenn der Menschensohn kommt, kommt er nicht nur als Richter, sondern als Hirte. Das Richteramt und das Amt des Hirten gehören zusammen und werden vom Menschensohn in Liebe und Barmherzigkeit ausgeübt. Täter gelangen zur Einsicht, gestörte Beziehungen werden geheilt.
Uns steht kein letztes Urteil über Menschen zu. Wir müssen es auch nicht, andere beurteilen und verurteilen. Das ist eigentlich eine Erlösung für uns. Und der Weg zu echter Gemeinschaft möglich. Leben im Lichte Jesu.
Es ist, als ob wir symbolisch immer wieder unsere eigene Taufkerze anzünden und Licht von Jesus Christus her empfangen und an andere weitergeben. An den vielen Tagen, den hellen und dunklen und an den vielen, die dazwischen liegen. Möge uns das gelingen. Amen